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Hiking im Grand Canyon: South Kaibab Trail + Bright Angel Trail (an 2 Tagen mit Übernachung)

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uli m.
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Beigetreten: 29.08.2011 - 10:10
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Hiking im Grand Canyon: South Kaibab Trail + Bright Angel Trail (an 2 Tagen mit Übernachung)

Diese 2-Tages-Wanderung vom September 2012 ist ein Auszug aus meinem Reisebericht.

WER: 2 Familien mit Kindern im Alter von 11 und 14 Jahren
WANN: Sommer (mit Temperaturen um 40°C muss gerechnet werden)
WAS: South Kaibab Trail abwärts, Übernachtung auf dem Bright Angel CG im Zelt, Bright Angel Trail aufwärts
WIEVIEL: 29 Kilometer / 1.900 Höhenmeter (Tag 2 - Aufstieg: 1.600 hm)

1. Tag
Start im Wohnmobil auf dem Mather CG

4:00 Uhr - das Aufstehen fällt uns leicht!
...Nein, stimmt nicht.
Das Aufstehen fiel uns schon ein wenig schwer um diese UhrzeitWink. Die Müdigkeit war aber schnell verflogen, denn es stellte sich bald eine gewisse Aufregung ein beim Gedanken an das heutige Programm !
Pünktlich um 5:00 Uhr waren wir an der Bushaltestelle und saßen auch gleich im ersten Shuttle zum South Kaibab Trailhead.
Mit dem Aussteigen setzte feiner Nieselregen ein, der uns bis ca. Cedar Ridge begleiten sollte.

Noch schnell die Stirnlampen angeknipst. Start unseres Abstiegs in den Grand Canyon um 5:30 Uhr.

Die Lampen benötigten wir nur in den ersten 30 Minuten. Zunehmend wurde es heller, und es war trotz Regen (der war sehr fein, nicht weiter schlimm) ein tolles Erlebnis zu sehen, wie der Canyon allmählich aus der Dunkelheit auftaucht und seine riesige Dimension immer plastischer hervortritt !


Es war lusitg, wie unsere kids demonstrativ an diesem Punkt "OOH" und "AAH" riefen! Fast kann man es beim Betrachten des Fotos hören, nicht wahr? Smile

Kurz nach dem OOH-AAH-Point erwachte die Sonne aus ihrem Nachtschlaf und tauchte den weiteren Weg in ein fantastisches Morgenlicht:

Wir kamen sehr gut voran. Bald konnten wir die Regenjacken ausziehen. Am Skeleton Point genehmigten wir uns eine Pause. Hier kamen uns das einzige Mal Mulis entgegen - ein Materialtransport ohne Touristen.
Auch sonst war der Trail alles andere als bevölkert! Wir hatten ja erwartet, dass am Labor Day Weekend viel los sein würde. Vielleicht lag es ja an der frühen Uhrzeit?
Umso mehr konnten wir diese Wanderung genießen! Unsere Kinder ließen wir voraus laufen, sie redeten und lachten permanent - gut so! Dann kommen schon keine Fragen "wie lange noch"...!
Mit einigem Abstand folgten wir, genossen die Ruhe und die herrlichen Ausblicke und den schlagartigen Temperaturanstieg, der ab dem Tip Off deutlich zu spüren war.


Der erste Blick auf den Colorado.
Bis hierher dürften die Spanier im 16. Jhdt. gekommen sein, als sie dem Fluß den Namen "Rio colorado" - farbiger Fluß - gaben. Dann sind sie damals wieder umgekehrt mit der Botschaft, dass ein kompletter Abstieg nicht möglich sei - nochmals Schonzeit für die dort unten lebenden Indianer...
Erst im 19. Jahrhundert hat John Wesley Powell (der Einarmige) mit seinen Mannen den Grand Canyon kartographiert, per wochenlanger Bootsfahrt auf dem Colorado!


In dieser großartigen Landschaft ist man so klein und unscheinbar, dass Michaela ohne ihren hellen Strohhut gar nicht sichtbar wäre...

Es geht weiter und weiter abwärts. Mit dem Erreichen der Black Bridge wird uns klar: wir sind ganz unten angekommen!

Die letzten paar Meter bis zum Bright Angel Campground sind reine Nebensache.
Unser GPS sagt uns, dass wir 11km und 1.460 Bergab-Höhenmeter zurückgelegt haben. Dafür haben wir 4,5 h gebraucht, einschließlich 30 min. Pause.
Das war ja wesentlich einfacher als erwartet! Von unseren Wasservorräten hatten wir fast nichts benötigt.
Trotzdem darf man sich nicht täuschen lassen: ein anderes Mal könnte dieselbe Strecke viel viel anstrengender sein - bei einem Abstieg zu späterer Uhrzeit in praller Sonne wäre ein Wasservorrat von 5L/Person definitiv nötig !

Zum Zeitpunkt unserer Ankunft (10 Uhr) am Bottom dachten wir kurz, dass wir eigentlich auch eine Tagestour mit sofortigem Aufstieg über den Bright Angel Trail hätten planen können. 
Am Ende des 2. Tages war uns aber sehr klar, dass wir es richtig gemacht haben. Nicht nur, weil wir bei einem Day Hike unseren Kindern eine Gewalttour zugemutet hätten mit bleibender traumatischer Erinnerung, sondern auch weil es ein sagenhaftes Erlebnis ist, den Sonnenuntergang im Inner Rim zu erleben, in der Phantom Ranch gemeinsam mit den anderen Wanderern zu essen und sich ohne jeden Zeitdruck in der grünen Oase dort unten aufzuhalten!

Genau das haben wir nun getan.
Die Seele baumeln lassen, gelesen, im glasklaren Bright Angel Creek gebadet, die Cabins und Dorms der Phantom Ranch besichtigt und den Rangervortrag angehört.


Bright Angel Creek. Hinten ein erstes Gebäude der Phantom Ranch.


Die Temperatur stieg am Mittag auf 100°F - im Schatten der Bäume und im kühlen Wasser des Creeks aber problemlos auszuhalten!

Zur Phantom Ranch habe ich hier ausführlich berichtet.

In der Canteen sahen wir diese jungen Burschen, sehr spartanisch ausgestattet nur mit einer Wasserflasche, und vermummt in dicke Kleidung und schwarze Vollbärte - da brachte uns bereits der Anblick zum Schwitzen!
Die Mormonen-Männer stürzten sich kurz auf die Postkarten und schon waren sie wieder weg.
Respekt! In dieser Kleidung runter und rauf als Tagesmarsch ist wirklich eine Leistung!
Trotzdem waren wir über unsere vergleichsweise freizügige Religion nicht traurig - im Gegenteil, sofort schmeckte das eiskalte Bier in kurzen Hosen noch besserWink. (Bier darf man übrigens nur in der Canteen trinken, draußen ist es verboten - "That´s the Law"!).

Nach einem sensationell guten Steak von mindestens 300 Gramm, spitzenmäßigen Ofenkartoffeln und frischem Salat (was für ein Unterschied im Vergleich zum "Western Cookout Dinner" im 1000Lakes in Torrey!!) beendeten wir diesen Tag auf unserer Group Site im Campground mit Karten spielen und nichtstun und beobachten, wie der Inner Rim in der Dunkelheit versinkt und die äußeren Felsen in der Abendsonne zu glühen anfangen.
Jetzt gehören wir auch zu den "less than 1% of all Grand-Canyon-Visitors make it to the Phantom Ranch" Sealed!

2. Tag
Weckerklingeln um 4:30 Uhr.
Den hätten wir heute Morgen gar nicht benötigt, denn das Aufstehen fiel uns (den Erwachsenen) im Gegensatz zu gestern sehr leicht!
Die Nacht war .....durchwachsen. Das ist ein freundliches Wort für unsere Flüche über die Isomatten, die zwar ultraleicht und daher gut zu tragen gewesen waren, aber viel zu kurz und viel zu dünn. Da half auch kein Schönreden: eine Polsterung unserer alten Knochen war nicht mal im Ansatz spürbar gewesen.
Dazu gab es in der Nacht nicht das winzigste Lüftchen - wir haben bei ca. 30 Grad in unseren Zelten geschmort, trotz geöffnetem Eingang. Auch das nächtliche Herausziehen aus dem überdachten Shelter (den gibt es auf der Group Site), wo wir die Zelte zuerst gestellt hatten, half nicht.
Auch ein echtes Manko: kein Kopfkissen! Schlaft mal ohne Kopfkissen auf knallhartem Boden... ich stelle fest: wir werden alt !
Egal. Die kids hatten diese Probleme jedenfalls nicht, sie waren kaum wach zu bekommenSurprised


Aufnahme mit Blitz - es war noch stockdunkel.

Beim Early Breakfast in der Phantom Ranch um 5:00 Uhr waren aber alle hellwach, schließlich gab es reichhaltig leckere Sachen!

Kurze Zwischenbilanz zur körperlichen Verfassung: alle sind fit, Muskelkaterquote 50% (= alle Erwachsenen hatten mehr oder weniger einen, die Kinder hatten keinen), Verschleißerscheinungsquote: 1 (von 16) Kniegelenken schmerzte, aber auszuhalten.

Um 6:30 Uhr waren wir startklar und passierten die Silver Bridge.
Um 6:50 Uhr hielt sich die Sonne nicht an unsere Vereinbarung! Es war ausgemacht, dass sie den Trail erst erfassen sollte, wenn wir schon ein ordentliches Stück Strecke gemacht haben! Tatsächlich waren wir aber noch ganz unten am Colorado. Puuh.

Unsere Befürchtungen waren zum Glück nur von kurzer Dauer: der Devil´s Corkscrew lag noch komplett im Schatten (immer wieder toll, welche Bezeichnungen den Amerikanern einfallenSmile. Mit dem Teufel haben sie es aber schon oft, nicht wahr?)

Was einem als Rim-Tourist völlig verborgen bleibt:
der Grand Canyon ist nicht nur Stein und noch mehr Stein! Es gibt hier auch sagenhafte Grünzonen, plätschernde Bäche, schattenspendende Bäume, blühende Büsche.
Es macht viel Spaß, hier durchzuwandern, der Weg bis Indian Garden läuft sich sehr angenehm.

Ankunft im Indian Garden. Es ist gegen 10 Uhr, wir haben die Häfte der Strecke geschafft.
...der Strecke, aber nicht der Höhenmeter!! Der Löwenanteil kommt erst noch, da darf man sich ncht in falscher Sicherheit wiegen !

Im Indian Garden war nun zum ersten Mal während unserer GC-Wanderung spürbar, dass es sich um das große Ferien-Wochenende der Amerikaner handelt. Heute ist Labor Day. 
Etliche Tageswanderer saßen hier und machten Pause - die meisten hatten ihren Umkehrpunkt erreicht, manche wollten noch bis zum Plateau Point weiter.
Ein bißchen stolz waren wir nun schon auf uns, man konnte an unseren Rucksäcken mit Zelt und Isomatte ja unmißverständlich erkennen, dass wir ganz unten waren!Cool
Wir hörten, wie die zwei Teenager-Töchter einer deutschen Familie ihren Eltern in den Ohren lagen, dass sie auch bis zum Bottom wandern wollen! Darauf die Mutter: "Das könnt Ihr vergessen, schaut doch nur wie die ausgerüstet sind!"
Damit meinte sie unsSmile.
Es stimmte, wir waren wirklich super vorbereitet mit unseren Trekkingstöcken, leichter Funktionskleidung, Elektrolytpulver für´s Wasser und unserer neusten Walmart-Errungenschaft ($10): Kopfbedeckungen - eine Art Piratenmütze - mit integrierten GEL-Pads. Wenn man hier Wasser drüber kippt, wird das lange gespeichert und gibt eine angenehme Kühlung durch Verdunstung.

Obwohl es nun 105°F hatte (40°C - das geht übrigens noch, es kann durchaus heißer werden, siehe Richard´s Bericht zum GC-Hike), entschlossen wir uns zum Weiterlaufen.
Plan B wäre sonst gewesen, bis mindestens 14 Uhr hier zu rasten und den Aufstieg erst fortzusetzen, wenn die Mittagshitze am Abklingen ist.
Die Kinder durften entscheiden: weiter? Also auf geht´s !

Die Strecke ab Indian Garden bis zum Rim ist eindeutig die beschwerlichste auf der Route South Kaibab abwärts - Bright Angel aufwärts. Sie zieht sich doch sehr in die Länge und es gibt auch keine horizontalen Anteile, es gibt hier nur einen Weg: bergauf!
Dennoch wird man reichlich für die Mühe entlohnt - es ist wunderschön zu beobachten, wie sich der Abwärtsblick in den Canyon stetig verändert. Und ganz allmählich - wie in Zeitlupe - entsteht das "gewohnte" Bild, das man im geistigen Auge in Erinnerung hat: der Blick vom Rim hinunter in den Canyon.
Die Natur ist der Bildhauer, und der Wanderer verfolgt mit seinem Aufstieg die Entstehung der Grand Canyon-Skulptur - klasse!

Um 14 Uhr, nach knapp 8 Stunden, erreichten wir den South Rim und waren ab jetzt um eine großartige und unbezahlbare Erinnerung von bleibendem Wert reicher: We made it - from the Rim to the Bottom and back up !

Das T-Shirt mit diesem Aufdruck kann sich dagegen jeder im Touri-Shop kaufen. Es ist aber ein ganz anderes Tragegefühl, wenn man das, was da steht, auch wirklich gelebt hatSmile!

Fazit HIKE Grand Canyon South Rim to Bottom an back up:
Einzigartiges Erlebnis von bleibendem (= lebenslangem) Erinnerungswert!
Gesamt 29km und 1.900 Höhenmeter.
Der Aufstieg über den Bright Angel Trail hat tatsächlich 1.600 Höhenmeter laut GPS (also mehr als die reine Höhendifferenz), denn einige versteckte hm addieren sich noch dazu.
Für diese Wanderung gilt: die Vorbereitung ist alles!
Sie entscheidet, ob es im Nachhinein ein Traum oder ein Trauma war.
Zur Vorbereitung hat MichaelAC ausführlich geschrieben: hier, dort findet sich auch ein Link zum Planungsthread.

Auch mit Kindern ab ca. 9 Jahren möglich. Wenn man die kids bereits in die Planung einbezieht, an diese Tour heranführt und sie nicht überfordert, dann werden sie genauso viel Freude daran haben wie die Erwachsenen (und anschl. voller Stolz das "I made it" T-Shirt tragen!).

Als gefährlich stufe ich die Wanderung nicht ein, die Trails sind ohnehin absolut problemlos zu begehen.
"Gefährlich" wird es hier nur selbstgemacht: bei ungenügendem Wasservorrat, falschem Schuhwerk oder völliger Selbstüberschätzung! Womöglich noch in Kombination - genau diese Klientel trifft man leider dennoch jeden Tag auf den Trails an...
Zum Abschluß ein Foto der wirklich mutigen Männer, die den weißen Grand Canyon-Fleck auf der USA-Karte vor mehr als hundert Jahren mit Farbe gefüllt haben: John Wesley Powell und seine Kameraden!

 

Liebe Grüße

Uli