Tag 08: Freitag, 09.06.2017: We have no choice - wir müssen wieder hoch - Bright Angel Trail

Mit Schlafen war nicht viel. Um nicht zu sagen, so gut wie nichts... Was haben wir geschwitzt! Unglaublich, nicht EIN frisches Lüftchen war zu spüren. Entsprechend schlecht ausgeruht stehen wir um 3:30h auf und packen zusammen. Wir haben das early breakfast um 5 Uhr in der Canteen gebucht, der frühe Vogel und so... ihr kennt das... So herausragend lecker das Dinner war, das Frühstück finden wir „nur“ ok, Rührei mit Bacon, Pancakes mit Sirup, Kaffee und Tee. Ein paar Scheiben Toast zum Rührei wären nett gewesen, aber wir werden natürlich auch ohne gut satt. Noch ein Lunchpaket geschnappt, dann gehen wir los.

Wir haben im Vorfeld ernsthaft in Erwägung gezogen, den South Kaibab Trail hochzulaufen. Da wir eigentlich vom South zum North Rim hiken wollten, wäre der South Kaibab Trail ja unser Abstieg gewesen. Wir finden den Trail und die verschiedenen Aussichten dort einfach grandios. Nun ja, der Aufstieg über diesen Trail ist zwar gut 2 Meilen kürzer als der Bright Angel Trail, aber auch deutlich steiler und es gibt keine Möglichkeit, Wasser aufzufüllen. Bei Temperaturen um maximal 30°C hätten wir den Trail möglicherweise mit mindestens 5 Liter Wasser pro Nase in Angriff genommen. Es waren aber über 41°C vorausgesagt. No way, so viel Wasser, wie wir da außer zum Trinken noch zum Nassmachen der Kleidung und Hüte brauchen würden, könnten wir nicht tragen. 

Also mal wieder: Bright Angel Trail. Wir wissen, wie sich der nach oben hin endlos zieht und dass man mit Unmengen von Tagestouristen ab Indian Garden konfrontiert wird... Egal, es gibt keine Alternative. Und man kann wahrlich nicht sagen, dass dieser Trail nicht auch schön wäre.

Angenehm und fast noch kühl ist es, als wir schon um 5:40h abmarschbereit sind.

Jeremie mault ein wenig, ihm fehlt heute zunächst die Motivation. Die schlechte Nacht steckt in den Knochen. Anfangs kommen wir gar nicht so recht voran und machen kaum Höhenmeter. Die wenigen, die man sich auf den ersten zähen Meilen erarbeitet, steigt man zum Teil wieder ab. Entmutigend.

Dann geht es aber allmählich nach oben, der Colorado verschwindet aus unserem Blickfeld und wir haben erste Berührungspunkte mit der gnadenlosen Sonne, die von einem wolkenlosen Himmel brennt. Noch gibt es aber zwischendurch viele schattige Abschnitte.

Wir unterhalten uns in einer Pause mit einem Vater-Sohn-Gespann, der Vater gut über Mitte 70. Er meint augenzwinkernd, sein Sohn führe hier das Regiment, er dürfe nicht trinken, wann er wolle, sondern wenn der Sohn es anordne... Noch vor Indian Garden verlieren wir die beiden aus den Augen, erst dort, nach unserer Pause, sehen wir sie kurz wieder.

In Indian Garden ist schon ganz schön was los, sämtliche Bänke sind belegt und wir suchen uns am Creek etwas abseits einen Platz für eine längere Rast. Hier machen wir uns über unsere Lunchpakete her. Der Bagel, der Frischkäse und die Rinderwurst müssen dran glauben, auch ein paar Oreo-Kekse und Cranberries fallen unserem Appetit zum Opfer. Wir ruhen uns aus, machen die Shirts im Creek nass und beobachten das Treiben um uns herum. Zwei Frauen gesellen sich auf die Bank neben uns, mit denen wir uns im weiteren Verlauf des Trails immer wieder sehr nett unterhalten.

Jetzt gibt es keine Gnade mehr. Mit gut gefüllten Flaschen und Trinkblasen laufen wir weiter und von nun an pausenlos in der prallen Sonne. Das schlaucht. Jeremie darf seinen Rucksack zeitweise an Robert weiter geben, der ihn einfach quer über seinen eigenen legt. Hier sind nun auch schon etliche Tageshiker unterwegs, die ohne Gepäck mehrheitlich schneller als wir unterwegs sind.

Noch vor dem 3-Miles-Resthouse geht Robert plötzlich zur Seite und bleibt stehen. Die beiden Tageshiker, die zwischen Robert und mir und Jeremie laufen, verlassen ebenfalls den Weg und stellen sich nah an die Wand. Wir beiden hinteren denken, sie wollen uns lediglich zu Robert aufschließen lassen, als ich plötzlich höre, dass der Mann vor mir „Snake“ sagt. Dann hören wir auch Robert „Jeremie, Schlange!“ sagen. Doch Jeremie, der vor mir läuft, hat ja keine Ahnung, was er tun soll. Ist die Schlange vor ihm, hinter ihm, neben ihm...? Es geht alles so schnell und er rennt in Panik schnell und schnurtraks zu Robert, keine 30cm neben der Schlange vorbei! Erst, als die Schlange weiter ihres Weges zieht, nehme ich wahr, dass es eine Klapperschlange ist. Ein recht großes Exemplar. Jedoch scheint sie sich nicht bedroht gefühlt zu haben, gerasselt hat sie jedenfalls nicht. Dafür muss Jeremie nun vor Schreck und Aufregung ganz furchtbar bibbern, zittern und weinen und scheint kaum mehr auf den wackligen Beinen stehen zu können. Auf die beruhigenden Worte von Robert, er solle sich doch jetzt einfach mal hin setzen und ausruhen, antwortet Jeremie trocken mit den Worten: „Nein, wir müssen jetzt sofort weiter gehen, jetzt hab ich Adrenalin!“

Wir gehen weiter zum 3-Miles-Resthouse, wo wir eine weitere Verschnaufpause einlegen. Die beiden Amerikanerinnen, die auf diesem Abschnitt vor uns liefen, haben die Situation mit der Klapperschlange von weiter oben gesehen und für eine der beiden ist Jeremie von nun an der Held des Tages. Sie erzählt jedem, der in den nächsten Minuten hier Rast macht, wie „dieser kleine tapfere Junge die Klapperschlangenbegegnung gemeistert hat“... Jeremie kann natürlich schon längst wieder strahlen und ist stolz, dass er eine pink rattlesnake, die es nur im Grand Canyon gibt und die sich angeblich äußerst selten zeigen, gesehen hat.

Es geht weiter, die nächsten 1,5 Meilen bis zur Rast ziehen sich wie Kaugummi. Man sieht bei jeder Kehre, wie sich das 3-Miles-Resthouse immer mehr entfernt, doch man hat das Gefühl, das nächste Resthouse kommt einfach nicht näher...

Der Touristenrummel wird immer größer, je weiter wir uns nach oben schaffen. Das ist aber auch das Einzige, was mich an diesem Hike „stört“, wenn man das überhaupt so sagen kann. Irgendwann hört man einfach auf, jedem Hallo zu sagen, es sind viel zu viele, und läuft einfach in seinem Tempo stur weiter bergauf.

Allmählich scheint der South Rim in greifbare Nähe zu kommen, wir sehen schon die amerikanische Flagge, die am Kolb Studio dort oben gehisst ist.
Die letzten Meter gehen wir Arm in Arm, soweit das auf dem schmalen Weg mit Gegenverkehr möglich ist. Oben angekommen halten wir uns ganz fest in den Armen und ich bin so bewegt und aufgewühlt, dass ich weinen muss.

Wir haben es geschafft!

Nicht, dass wir Zweifel gehabt hätten, aber es war in dieser Hitze echt hart, mit dem ganzen Gepäck über knapp acht Stunden aufzusteigen. Wir sind verstaubt, verschwitzt und erschöpft, aber unendlich glücklich!

Nach der ersten Erfrischung mit kühlem Wasser machen wir uns über die Eisdiele her und während ich das ganze Gepäck beaufsichtige, holen Robert und Jeremie drei Megaportionen leckerstes Eis! Wir setzen uns einfach in dem Megarummel hier oben mitten auf den Boden und lassen uns das Eis schmecken!

Dann fahren wir mit dem Shuttle zum General Store, um uns was Essbares zu besorgen und laufen anschließend zum Mather Campground. Unsere site ist recht nah am Eingang und somit auch nicht weit von den Duschen entfernt. Raus aus den Wanderschuhen, rein in die Flip Flops! Noch bevor wir das Zelt aufbauen, lassen wir uns das gegrillte Hähnchen mit Baguette schmecken. Bisschen trocken, aber wir haben uns genügend kalte Getränke besorgt.

Während ich unsere Matten und Schlafsäcke im Zelt herrichte, gehen Robert und Jeremie zu den Duschen. Dann bin ich an der Reihe und bis ich vom Duschen zurückkehre, ist im Zelt schon kein Mucks mehr zu hören. Ich freue mich darauf, in dieser Nacht bei kühleren Temperaturen schlafen zu dürfen!