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Nordamerika im Wohnmobil erleben!

18. Tag - Die Wanderung!

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Janine92
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18. Tag - Die Wanderung!
Eckdaten zum Reiseabschnitt

Ich habe lange überlegt, wie ich diese Wanderung beschreiben soll und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich genau so schreiben werde, wie wir es erlebt haben. Trotzdem möchte ich vorweg noch sagen, dass diese Wanderung nicht ohne Grund so negativ beworben wird. Es ist sehr anstrengend und jeder sollte sich sehr gut überlegen, ob er wirklich so weit in den Canyon hinabsteigen möchte. Auf unserem T-Shirt steht es so schön beschrieben: Going down is optional - coming up is mandatory. Wir haben Leute getroffen, zugegeben nicht viele, die auch die Wanderung an einem Tag gemacht haben, wir haben allerdings genau so viele getroffen, die das für verrückt halten. Ich laufe 3 mal die Woche. Kaum Höhenmeter, keine 25km, aber ich laufe. Thore kommt ab und zu mit. Dazu gehe ich 2x die Woche zum Fitnesstraining und wir fahren jeden Tag um die 12 km mit dem Rad. Eine Grundfitness ist vorhanden. Außerdem sind wir mit 23 und 25 noch jung (nichts gegen Ältere, aber es ist nunmal erwiesen, dass die Grundfitness schon ab 25 wieder zurück geht, wenn man nicht trainiert). Also: jeder sollte seine eigene Fitness überdenken und da auch ganz ehrlich mit sich selbst sein. Und dann auf dem Weg immer wieder darüber nachdenken, ob man es noch hoch schafft.

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Heute morgen klingelt um halb 5 der Wecker. Um 5 wollen wir mit dem ersten Bus zum South Kaibab Trailhead. Wir essen 2 Portionen Porridge, damit wir eine gute Grundlage haben. Die Rucksäcke sind gefüllt mit 3L-Blasen mit Elektrolytedrink, gut 2 Litern Powerade und einer Menge Nüsse, Beef Jerky und Müsliriegeln. 

Der Bus kommt pünktlich, nur hat er keine Anbindung an den Kaibab Trail. Wir warten also noch eine halbe Stunde am Visitor Center. Zum Glück haben wir uns warm angezogen. Am Trailhead steigen 2 Mädchen und ein Pärchen zusammen mit uns aus. Die Mädchen lassen wir irgendwann schnell hinter uns, doch das Pärchen läuft zu unserem Erstaunen immer cirka auf unserer Höhe. 

Der Kaibab Trail läuft grob nach dem gleichen Prinzip immer weiter nach unten. Man steigt über eine Menge Holzbalken, die vermutlich mal die Treppenstufen abgrenzten, doch nun ist die Erde zwischendrin gut weggewaschen worden und so ist es eine Wanderung über "Stock und Stein". Man läuft immer mal wieder Serpentinen entlang und es gibt sich auch immer wieder eine wunderbare Aussicht in den Canyon. Der Tag ist noch jung und es ist einfach wunderschön, fast ganz alleine hier in den Canyon hineinzugehen. Die luft ist morgendlich frisch und die aufgehende Sonne schafft eine ganz eigene Atmosphäre. Wir fühlen uns großartig und sind guter Dinge, dass dies ein toller Tag wird. 

Für jede Stunde halten wir 10 Minuten Pause, so wie der Ranger es uns gesagt hat. Das ist etwas nervig, doch letztendlich hat es sich ausgezahlt. Wir halten auch an den Points, die auf der Map angegeben sind. hier sind teilweise Toiletten und außerdem gibt es ein bisschen was zu gucken und zu fotografieren. Schnell haben wir eine Regel: Wenn Fotos gemacht werden, wird gleichzeitig auch getrunken. So sind wir sicher, das trinken nicht zu vergessen und genug zu trinken, auch wenn man durch die kalte Luft nicht unbedingt durstig ist. 

Je weiter man in die Tiere steigt, desto wärmer wird es. Wir ziehen am Cedar Ridge trotzdem die Jacken aus und am Tip Off Point machen wir eine längere Pause, wo wir auch die Pullover ausziehen. Hier machen wir Pause mit einigen anderen Wanderern. Eine ist alleine unterwegs. Sie läuft die Wanderung öfter, immer mal am Wochenende, da sie in der Nähe wohnt. Die anderen sind eine Familie und sie werden jetzt abbiegen und zum Bright Angel Trail laufen. Uns geht es sehr gut und wir entscheiden uns, weiterzugehen. Das Pärchen von oben treffen wir unterhalb des Tip Off Points wieder. Sie sieht schon sehr erschöpft aus und sie haben nur normale Sneaker an und es sieht so aus, als würden sie ihre letzte Flasche Powerade trinken. Ich überlege eine Weile, doch dann spreche ich sie doch an. Sie erzählen, dass sie zum River und zurück wollen, doch das haben sie vermutlich unterschätzt. Ich kläre sie noch über den Weg auf, dass immer noch 1/3 der Höhenmeter auf sie wartet und dass sie keine Versorgung auf dem Weg erwarten können und es ja auch wieder hoch gehen muss. Sie sagen, dass sie nochmal überlegen werden und machen erstmal eine Pause. Wir gehen weite und haben das Paar nie wieder gesehen. Ich hoffe, dass sie es sich anders überlegt haben und zurück gegangen sind.

Kurze Zeit später treffen wir auf eine Mulikarawane. Die sind viel Größer, als ich gedacht habe. Ich dachte mehr an Esel als an Pferd. Wir machen natürlich Platz. Kurze Zeit später sehen wir zum ersten mal den Colorado. Wir kommen dem Fluss immer näher und die Aussicht konzentriert sich größtenteils darauf. Weiter unten müssen wir nochmal für Mulis anhalten und hier treffen wir nochmal 2 Wanderer. Auf dem weiteren Weg finden wir heraus, dass die beiden aus Hamburg kommen und wir treffen sie immer wieder auf unserem Weg. 

Unten angekommen sind wir voller Glücksgefühle. Der Weh nach unten, auch wenn es der einfache Teil ist, ist geschafft. Es ist einfach wunderschön hier unten und wir genießen den Weg entlang des Colorado, den wir auch zwei Mal überqueren. Unten ist auch ein Toilettenhaus  mit Wassergespülten Klos und außerdem gab es hier Wasser. Wir hatten jedoch noch genug. Rast machen wir am River Resthouse, wo wir unsere Snacks auspacken und uns noch mit einem Wandererpaar unterhalten. Sie kommen aus Arizona, sind Trump-anhänger und machen eine 3-Tages Reise durch den Canyon. Einma übernachten sie unten, einmal am Indian Garden. Ich versorge meine Blasen an den Füßen und dann geht es bergauf. 

Kurz nachdem wir losgelaufen sind, treffen wir Annabell und Jonatahan (die aus Hamburg) wieder und wärend wir am Anfang noch eher sporadisch mal zusammen unterwegs sind, werden wir später den Weg gemeinsam bestreiten. Jonathan ist schon einmal die Wanderung gegangen, soch Annabell, seine Schwester ist nicht ganz so fit und hat nachher schwer zu kämpfen. Sie war auch gerade erkältet. 

Der Weg hinauf ist genauso schön, wie der Weg bergab, allerdings auf eine andere Art und Weise. Auf dem South Kaibab Trail hat man einen weiten Blick in den Canyon hinein, während man auf dem Bright Angel immer mal wieder neue Felsen betrachtet. Wir halten jetzt nicht mehr einmal die Stunde 10 Minuten an, sondern gehen, bis wir meinen, dass eine Pause gut tun würde. Die erste richtige Pause machen wir erst am Indian Garden und bis hierher ging es sehr gut voran. Wir sind fit und fühlen uns weiterhin gut. Am Indian Garden bekomme ich die Reste aus Thores Trinkblase in meine und er füllt seine auf. Wir haben extra elektrolytflüssigkeit mitgenommen, mit der das wieder angereichert wird. Ich vertrage kein Chlor und würde dieses Wasser nur im Notfall trinken. Nach dem Indian Garden wird es haarig. Nicht für uns, doch Annabell ist am Ende ihrer Kräfte. Die Arme meinte sogar, sich übergeben zu müssen. Ich weiß nicht, ob es so war, ich habe weggeguckt. Wir geben ihr eine unserer Powerades und von nun an unterhalte ich sie. Wir haben einen netten Aufstieg, der nun zwar langsamer von statten geht, aber trotzdem Spaß macht und wirklich toll ist. Immer mal wieder halten wir kurz an um zu trinken und die wieder vorhandene Aussicht zu genießen. Von hier ist der Indian garden wirklich eine Oase mittendrin. 

Am  3-meilen Resthouse halten wir nochmal richtig und setzen uns kurz, doch es geht alles ganz gut. Das 1,5 meilen Haus lassen wir schon links liegen. Hier gibt es im übrigen natürlich wieder deutlich mehr Wanderer, die eine Wanderung bis zu einem der Meilenhäuser oder dem Indian Garden machen. Manche fragen uns, ob wir von unten kommen. Sie sind beeindruckt, dass wir nicht nur von unten, sondern sogar von oben kommen. Man hört es uns allerdings auch an. Der Weg zum Schluss ist Steil, die Füße tun weh und man hat schon 25 km hinter sich. Es ist nachher doch noch anstrengend. Als wir über die Kante "steigen" und wieder Asphalt unter den Füßen haben sind wir überglücklich. Annabell ist den Tränen nahe und wir freuen uns alle tierisch, diese Wanderung geschafft zu haben. Das Gefühl kann man gar nicht beschreiben. Thore sagt nur: "Schade, dass wir nicht die Nummer von dem Kerl im Capitol Reef haben!". Es ist nämlich nicht unmöglich ;)

Wir schaffen es, im Bus zum Visitor Center einen Sitzplatz zu ergattern und die Hamburger fahren uns zu unserem Womo. Thore und ich können es immer noch nicht fassen. Es war irgendwie so einfach. Wir hatten beide gar keine Probleme, es geht uns gut und wir haben die Wanderung in 9 Stunden, inkl. Pausen geschafft. Wir sind schon ein wenig stolz auf uns. 

Nachdem wir eine ganze Weile im Wohnmobil gesessen haben und uns ausgeruht haben, wollen wir zum Supermarkt. Ich stehe auf.. und falle wieder hin. Was ist denn nun los? Scheinbar fanden meine Muskeln, dass die Wanderung genug war. Ich rappel mich natürlich wieder auf und wir machen uns auf den Weg. Ich in Flip-Flops, da meine Blasen an den Füßen bald schon ihre Unabhängigkeit erklären werden. Die passen in keinen Schuh mehr. 

Wir kaufen uns ein Bier und Sandwiches und essen am Imbiss im Supermarkt. Außerdem kaufen wir uns natürlich das Rim-River Shirt. Danach genießen wir einen wohlverdienten ruhigen Abend am Lagerfeuer, an dem wir Marshmallows grillen und einfach uns freuen, dass wir es geschafft haben.

Liebe Grüße

Janine

Wolfsspur
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Beigetreten: 07.06.2013 - 21:38
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RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Hallo Janine,

wow - herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Ab- und Aufstieg und das an einem Tag! TOP

Wie du schreibst  - das ist nicht zur Nachahmung empfohlen, aber letztendlich muss das jeder selbst entscheiden. smiley

Liebe Grüße,
Ulli

Scout Womo-Abenteuer.de


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Gisela
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Beigetreten: 26.08.2009 - 14:49
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RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Hallo Janine,

Glückwunsch, ja, dass macht man nur wenn man noch jung ist uns auch einigermaßen fitt ist. 

Lag es am Permit oder wolltet Ihr das an einem Tag schaffen?

Herzliche Grüsse Gisela

 

Janine92
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Beigetreten: 04.03.2015 - 13:15
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RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Hallo ihr zwei,

danke erstmal :)

Wir hatten gar nicht so richtig über ein Permit nachgedacht. Ich glaube, als wir Wanderungen geplant haben, war es dafür auch fast zu spät. Uns gefiel es besser an einem Tag und so muss man auch kein Zelt ect. runter und rauf tragen.

Liebe Grüße

Janine

Wolfsspur
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Beigetreten: 07.06.2013 - 21:38
Beiträge: 7184
RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Hi Janine,

wie warm war es denn bei euch? Ich glaub, bei uns wäre das schon extrem anstrengend geworden. Wir hatten unten am Canyon und dann auch am nächsten Tag beim Aufstieg über 40 Grad. Da waren wir schon sehr froh, dass wir für den Aufstieg sehr früh starten konnten und zumindest am Anfang noch etwas Schatten hatten. wink

Ich glaub aber, dass das genau das Problem ist, was viele unterschätzen und deshalb auch so stark gewarnt wird. Diese ungewohnt heißen Temperaturen und natürlich die Tatsache, dass der "leichte" Abstieg vor dem Aufstieg kommt.

In den Alpen haben wir (und vermutlich viele andere auch) auch schon Wanderungen gemacht, wo es an einem Tag 1400 und mehr Meter hoch und dann wieder runter geht... Aber eben nie in umgekehrter Reihenfolge... Und da disqualifizieren sich die untrainierten Turnschuhträger eben schon beim Aufstieg wink

Wirklich tolle Leistung von euch! TOP

Liebe Grüße,
Ulli

Scout Womo-Abenteuer.de


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Trakki
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Beigetreten: 24.11.2011 - 17:05
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RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Wow Janina,

eine tolle Leistung, wenn auch nicht für jedermann empfehlenswert. Wir sind an einem Tag zum Plateau Point und zurück gewandert und das hat mir voll gereicht. Ich hatte am nächsten Tag einen Megamuskelkater in den Waden. Wir könnten allerdings auch eure Eltern seinwink

Herzliche Grüße

Sonja
 

Trakki.Reisen

Janine92
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Beigetreten: 04.03.2015 - 13:15
Beiträge: 158
RE: 18. Tag - Die Wanderung!

Hi Ulli

Ich habe mal nach Durchschnittstemperaturen geguckt. Ich schätze mal auf cirka 25.

Liebe Grüße

Janine

suru
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Beigetreten: 05.03.2011 - 20:13
Beiträge: 6710
RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Hallo Janine,

wir waren noch ein paar Wochen nach Ulli und Eric Ende Juni 2014 unterwegs und haben ebenfalls auf dem Bright Angel Campground übernachtet. Wir sind zwar schon etwas älter als ihr, aber waren ähnlich gut trainiert. Den Abstieg fanden wir einfach, allerdings hatten wir unten über 115 ° F. Ich glaube nicht, dass ich in dieser Hitze den Aufstieg an dem Tag geschafft hätte. Und die Übernachtung unten mit Mahlzeiten auf der Phantom Ranch war einfach fantastisch, unbeschreiblich, also es hat sich gelohnt unten zu bleiben.

Ich finde, ihr habt alles richtig gemacht, wenn man jung, gut vorbereitet und trainiert und zur richtigen Jahreszeit unterwegs ist, muss man es einfach auch in einem Tag versuchen! Unsere Tochter hätte das auch gemacht. Das Gefühl, dort unten gewesen zu sein kann, einem keiner mehr nehmen. Wer weiß, vielleicht wiederholt ihr das Abenteuer mit einer Übernachtung später mal.

Ganz toll finde ich, dass du auf die Gefahren aufmerksam machst und die Wanderung kritisch siehst. Bestimmt eine Entscheidungshilfe für andere.

Liebe Grüße

Susanne
Scout Womo-Abenteuer.de

Reiseberichte

Matze
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Beigetreten: 13.05.2014 - 18:58
Beiträge: 5119
RE: Reisebericht: 18. Tag - Die Wanderung!

Wir sind schon ein wenig stolz auf uns.

Super Stolz könnt ihr auf eure Leistung sein! Sooo viele Kilometer und dann noch der Höhenunterschied dazu, Hut ab.   Vielen Dank, Janine für deine tolle Schilderung des Tagesablaufs und den herrlichen Fotos.   Auf diese Weise war ich nun auch einmal unten wink.   Gut gefallen hat mir auch, wie umsichtig ihr euch auf die Wanderung vorbereitet habt.  Ihr hattet ja immer die Möglichkeit in Erwägung gezogen an einem Punkt umzudrehen.  Gut, dass Ihr immer ausreichend getrunken habt ( Foto = Trinkpause ) und an den Elektrolythaushalt gedacht habt.    Abends, zum Supermarkt wäre ich für keinen Grund der Welt mehr gegangen.........

Liebe Grüße
Matthias
Scout Womo-Abenteuer.de

Südwesten USA in 5 Wochen Herbst 2014