Um 6:30Uhr klingelt der Wecker, und schnell ist der vorbereitete Kaffee aufgesetzt. Während die Aufregung schon jetzt steigt, frühstücken wir, und ich schmiere Sandwiches. Eigentlich sind wir fertig, doch dann fällt uns auf, dass die Trinkblasen noch in die bereits gestern gepackten Rucksäcke müssen. Die hatten wir wassergefüllt über Nacht im Kühlschrank liegen. Also den ganzen Rucksack wieder ausräumen, das war ja richtig schlau. Trinkblase rein, dann das ganze andere Zeug. Am Ende sind wir um 8Uhr startklar. Los geht´s mit Bambam, raus aus dem Park, zurück durch Springdale und dann auf die Kolob Terrace Road. Es geht kontinuierlich bergauf, das letzte Stück ganz schön steil. Für Bambam kein Problem – geschmeidig und mit V8.
Um 8:30Uhr erreichen wir den Left Fork Trailhead. So einige Autos stehen schon hier, und kurz nach uns treffen noch 4 weitere ein. Jetzt aber hurtig, wir wollen alleine laufen, nicht in einem Rudel.

der Trailhead.... und der Blick in den Canyon: da geht`s heute runter und bis ganz zum Ende!
Der Weg schlängelt sich zunächst über ein Hochplateau, immer ein bisschen auf und ab und im Schatten, super angenehm zum Laufen. Als die Sonne höher steigt und die Bäume verschwinden, wird es sofort heiß. Wir entledigen uns der langärmeligen Klamotten – später werden die aber doch nochmal nützlich sein, wenn auch nicht als Kleidung… aber dazu zu gegebener Zeit mehr. Plötzlich erreichen wir die Kante – und es geht steil bergab. Und zwar richtig steil bergab. Ein Geröllhang mit kleinen rutschigen Bröckchen, aber auch sehr großen Steinstufen, an denen ein kleiner Mensch wie ich beinahe runterspringen muss. Und obendrein ein Feuerwerk für Knie und Oberschenkelmuskulatur. Ach ja, und dann war da noch die pralle Sonne.

Genug gejammert, natürlich schaffen wir es bis unten, und dort ist auch wieder Schatten. Das Laufen macht hier richtig Spaß. Es geht immer am Fluss entlang, bis… der Weg das erste Mal hinüberführt. Wir stülpen unsere Neopren-Socken über und wechseln auf die Wasserschuhe. Und ab dafür! Wir springen von Stein zu Stein und versuchen eine ganze Weile, trocken zu bleiben. Ab jetzt wird der Weg unübersichtlich, Trampelpfade sind sowohl auf dem einen wie dem anderen Flussufer zu sehen, Hindernisse müssen überwunden werden, letztlich ist der beste Weg durch den Fluss. Das wird ohnehin von den Rangern empfohlen, „to protect nature“.

Stetig geht es leicht bergauf, wir bahnen uns den Weg über Felsbrocken, durch tiefes Wasser und dichtes Gestrüpp. Und dann passiert es. Ich versuche, über einen hohen Felsklotz zu klettern, ziehe mich dabei mit Schwung an einem Baum hoch… und werde auf einmal abrupt gestoppt, verliere das Gleichgewicht, Hilfe, was passiert hier? Rückwärts falle ich ohne Kontrolle nach hinten, höre dabei meinen Mann hinter mir aufschreien… irgendwie schafft er es noch, mich von hinten zu halten und den Sturz abzumildern. Trotzdem schlage ich der Länge nach hinten auf dem Rücken auf. Äh, nein. Glücklicherweise nicht auf dem Rücken, sondern auf dem gut gepolsterten Rucksack mit den zu viel mitgenommenen Klamotten. Ha, waren die doch für etwas gut. Trotzdem, autsch. Nachdem ich feststelle, dass ich alles bewegen und mich aufsetzen kann, versuche ich zu verstehen, was eigentlich passiert ist. Und da entdecke ich den Übeltäter: ein direkt über dem Felsen und meinem Kopf quer verlaufender Ast. Wegen meiner Schirmkappe habe ich ihn nicht gesehen! Mein Rucksack hatte sich offenbar darin verhakt und mich zurückgerissen, als ich mit Schwung rüber wollte. Au Backe, das hätte richtig übel ausgehen können. Ich bin mit dem Hinterkopf ordentlich aufgeschlagen, auch die Rückseite des linken Oberarms und die linke Gesäßhälfte machen sich bemerkbar. Vor allem aber der linke Daumen; mit dem hing ich in der Schlaufe des Wanderstocks, der sich irgendwo oben am Fels verhakt hatte. Zusehends entwickelt sich um das Grundgelenk eine Schwellung. Hoffentlich ist da nicht mehr passiert….
Was nun?! Ich kann laufen und habe vermutlich keine Gehirnerschütterung, zumindest kann ich klar denken und habe keine Kopfschmerzen. Und wir haben heute die einzigartige Chance auf diesen tollen Hike, das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen! Außerdem ist Hilfe weit weg. Also weiter und alles andere ignorieren.

Die Schlucht wird nun langsam enger, erste Wassertreppen tauchen auf. Wow, ist das schön hier. Vergessen sind die Schmerzen. Das Ziel ist noch nicht erreicht, aber langsam nimmt der Canyon bereits eine höhlenartige Form an.


Dennoch: immer wieder kommt eine neue Biegung; es ist doch ganz schön weit. Plötzlich aber öffnen sich die Felswände hinter einer Kurve, um am Ende wieder zusammenzulaufen, ein überdimensionaler Eingang in eine röhrenartig geformte, nach oben offene Höhle. Da ist sie, genau wie ein U-Bahn-Schacht: „The Subway“. Ausgehöhlt in unendlichen Jahren durch das Wasser des Flusslaufs. So beeindruckend!

Über weitere Steintreppen, über die das Wasser kontinuierlich hinab plätschert, nähern wir uns vorsichtig. Manche Steine sind recht glitschig. Hauptsache nicht ausrutschen; auf unsere nassen Füße und Schuhe nehmen wir schon lange keine Rücksicht mehr.
Im Inneren der Subway ist eine fast mystische Stimmung. Türkisfarbene Potholes unterbrechen das vor Feuchtigkeit schimmernde Braun-Gelb der röhrenartigen Wände.



Die Bekanntheit dieses Naturwunders bringt es mit sich, dass man auch hier den Moment mit anderen teilen muss. Alle staunen, lassen respektvoll jeden genießen und fotografieren, aber alleine ist man hier nicht. Zumindest nicht am heutigen Tage. Von einem der Besucher bekommen wir den Tipp, in das letzte Pothole zu springen und um die Ecke zu schwimmen, dort sei ein wunderschöner Wasserfall. Mein Mann zögert… überlegt… dann entledigt er sich seines T-Shirts und übergibt mir den Rucksack – und zack, ist er im kalten Wasser. Begeistert zeigt er mir später die Fotos. Für mich Frostbeule ist das aber nichts.

Wir verbringen sicher eine Stunde dort und setzen uns anschließend vor der Subway in die Sonne, um unseren Lunch zu verspeisen. Eine Rangerin sitzt dort ebenfalls und kontrolliert die Permits! Hier?! Wer hätte das gedacht.
Schließlich machen wir uns auf den Rückweg. Die erste Hälfte des Wegs laufen wir nun nur noch im Fluss, das geht flussabwärts viel schneller, als sich am Ufer den Weg zu suchen. Aufpassen muss man aber auf Untiefen, ebenso wie auf glitschige Steine, die überklettert werden müssen. Später ist der Weg an Land wieder besser zu erkennen, und wir laufen dort weiter.

Ein bisschen Sorge habe ich vor der größten Herausforderung dieses Hikes: den Aufstieg in den Steilhang zu finden. Regelmäßig laufen Leute daran vorbei und enden dann weglos und viel zu weit im Canyon. Davor hatte auch der Ranger gestern am Wilderness Desk gewarnt. Wir haben zwar auf dem Hinweg einen GPS-Punkt für den Aufstieg gesetzt, aber ob das hilft? Das Signal ist schwach.
Langsam haben wir genug vom anstrengenden Laufen im und am Wasser. Und dann sehen wir es, ganz unkompliziert und gleich ohne Schwierigkeiten: hier geht es zum Steilhang. Dort sitzt auch die Rangerin, einen Müsli-Riegel kauend, gemütlich im Halbschatten. Sie hatte uns unterwegs im Laufschritt überholt. Ich frage, ob sie als Wegmarker hier säße, aber sie antwortet, nein, ihre Schicht gehe noch eine Stunde, die warte sie hier ab. Sei doch viel schöner als oben am Trailhead. Cooler Job.
Jetzt heißt es aber für uns, alle Kräfte nochmal bündeln. In der prallen Nachmittags-Sonne ächze ich den Hang hinauf. Mein Mann ist wie gewohnt am Berg immer schneller und bald nicht mehr zu sehen. Und da sind sie wieder: meine Freunde, die hohen Steinstufen. Jetzt aber von unten nach oben, uiih, wie soll das gehen. Gerade so kann ich mit einem schmerzhaften Spagat mein eines Bein nach oben schwingen und mich mit den Stöcken so abdrücken, dass ich mich hochschieben kann. Ein Hoch auf meine Turner-Karriere im letzten Jahrhundert. Damals ging das aber doch irgendwie leichter… Meine Güte, das ist echt nicht ohne. Ein Sturz pro Tag reicht mir.
Letztlich geht es dann natürlich aber doch, und etwas weiter oben wartet mein Mann. Gemeinsam laufen wir das letzte Stück und überholen einen Top-Down-Hiker im Neopren-Anzug, der mit knallrotem Kopf und einigem Übergewicht im Schatten sitzt. Er ist offensichtlich am Ende seiner Kräfte. Seine Begleiterin beruhigt ihn und reicht Wasser, und schließlich kommt uns noch ein Guide vom Parkplatz aus entgegen und fragt nach dem Mann. Allem Anschein nach ist hier Hilfe genug vor Ort, weshalb wir unseren Weg fortsetzen und kurz danach gegen 16Uhr beseelt, glücklich und geschafft den Parkplatz erreichen. Was für ein außergewöhnlicher Ort, den wir heute sehen durften!
Nach 30 Minuten Fahrt heißt es dann Füße hoch, Getränke raus, chillen in der Abendsonne! Jetzt ist auch Zeit, meine Blessuren zu begutachten. Ordentliche blaue Flecke am Arm und Gesäß, kleine Beule am Hinterkopf, vor allem aber der Daumen schmerzt. Ich beschließe, das jedoch erstmal abzuwarten.
Mit den atemberaubenden heutigen Eindrücken klingt der Abend mit Steaks vom Grill und einem Campfire und….. na klar: S´mores - wunderbar entspannt aus, so herrlich ist Outdoor-Urlaub!
LG, eure Inga
Hi Inga ,
Eine herrliche Wanderung hast du hier beschrieben, und das auch noch mit besonderem (schmerzhaftem) körperlichem Einsatz. Das wäre auch wirklich schade gewesen, die Wanderung abzubrechen. Ich hoffe, dass sich die Blessuren wieder bald legen.
Viele Grüße
Bernhard
Scout Womo-Abenteuer.de
Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen (G.C. Lichtenberg)
Liebe Inga,
so tolle Bilder ❤️.
Bin gespannt, was mit dem Daumen passiert ist😱. Abbrechen wär für mich auch keine Option gewesen. So lange die Beine und Füße noch funktionieren 😉…
Ich erinnere mich, wie geschlaucht meine Männer vom Aufstieg in der prallen Sonne waren. Die „Stufenhöhe“ war wohl eher kein Problem. Bei Körperlängen von 1x knapp 1,90m und 1x deutlich drüber ist das wohl nicht erwähnenswert gewesen😉.
Vielleicht hab ich irgendwann mal die Möglichkeit, den Hike nachzuholen.
Liebe Grüße
Elli
Scout Womo-Abenteuer.de
Hallo Bernhard,
ja, herrlich war es in der Tat, es gehört ja immer das Gesamt-Paket dazu: das Glück, ein Permit zu bekommen, die Zufahrt, die anstrengende Wanderung... und dann dieser ganz spezielle Ort, wirklich magisch! ❤️
Liebe Elli,
Vielen lieben Dank! Es ist aber auch wirklich ein Paradies für jeden, der gerne fotografiert!
Ja, dann sind die Stufen wohl eher kleine Treppchen 😉 Bei 1,55m sieht das schon anders aus...
Liebe Grüße!
Liebe Inga,
eine wirklich ganz besondere Wanderung und zum Glück ist dir nichts schlimmeres passsiert. Das möchte man sich gar nicht ausmalen in dieser Situation.
Das mit den hohen Steinstufen kenne ich auch von einer anderen Wanderung und ich bin 1,70. Da ist jede Stufe eine echte Kraftanstrengung.
Schöne Grüße
Monika
Hi Inga,
WOW
, das fehlt noch auf unserer Liste
!
Munter bleiben
Gruss
Kochi
Scout WoMo-Abenteuer.de
Liebe Monika,
Da bin ich ja froh, und ich dachte schon, das geht nur mir so.
Hi Kochi,
Na, dann nix wie hin. Wirklich, kann ich nur empfehlen, es ist ein ganz, ganz besonderer Ort.
LG, eure Inga
Wow, was für ein toller Tag! Ich liebe deinen Schreibstil, man liest gerne und flüssig weiter ohne hängen zu bleiben oder sich zu langweilen 😍 Aber war ja auch ein sehr spannender Tag mit einem schockierenden Moment. Zum Glück ging alles gut!
Wir tief war das Wasser bei euch maximal?
Liebe Grüße
Jana
CA-NV-UT 2003 | NY-PA-QC-ON 2008 | MI-NY-PA-ON-QC 2014/2015 | MI-CA-NV-AZ-UT 2016 | WY-ID-UT-AZ-NV 2024
Liebe Inga,
ich schwing mich auch noch schnell in den Wohnwagen, so eine tolle Wanderung mit so tollen Bildern, echt der Hammer!!!
Ich war letzte Woche auch noch im Zion, aber wir haben „nur“ die Narrows gemacht, das hier ist ja nochmal eine andere Sportart -und so toll von dir beschrieben, klasse! Richtig toll.
Liebe Grüße, Janina.
Hallo Jana,
Vielen lieben Dank ❤️ Freut mich, wenn es euch Lesern auch Spass macht!
Das Wasser war am Anfang der Wanderung meist knöchelhoch, manchmal aber durch Untiefen deutlich tiefer. Einmal bin ich bis knapp über das Knie eingesunken- aber jetzt bin ich auch klein... 😄
In der Subway selbst war es - außerhalb der Potholes- maximal wenige Zentimeter tief.
Nasse Füße kriegt man in jedem Fall.
Liebe Grüsse, Inga
Liebe Janina,
Klasse, du bist auch dabei. Und vielen lieben Dank für deine tollen Worte 🫶🥰
Die Narrows wären unsere Alternative gewesen, wenn es mit dem Permit nicht geklappt hätte. Dort waren wir 2013, damals mit dem 10-jährigen Junior. Wir fanden es klasse! 👍
Liebe Grüsse, Inga
Guten Abend Inga,
Vielen Dank für die Infos! Ich hab mich ein bisschen informiert und bin sehr inspiriert die Subway auch auf unsere Liste zu setzen. Die Erzählung klang zu schön! Ich bin auch nur zwergige 1,60m groß/klein, daher ist bis zum Knie okay, solange ich nicht hüfthoch einsinke 😄 Darf ich noch fragen, welche Schuhe ihr getragen habt? Reichen Wasserschuhe? Für so eine lange Wanderung dachte ich eher an Wanderstiefel, die möchte ich aber ungern nass werden lassen, weil bis die trocknen brauche ich sie bereits wieder für die nächste Wanderung..
Liebe Grüße
Jana
CA-NV-UT 2003 | NY-PA-QC-ON 2008 | MI-NY-PA-ON-QC 2014/2015 | MI-CA-NV-AZ-UT 2016 | WY-ID-UT-AZ-NV 2024
Hallo Jana,
wir haben Wasserschuhe gehabt, in dem Fall von Salomon, solche mit fester, griffiger Sohle. So was ähnliches würde ich wegen der Stabilität schon empfehlen. Bade- oder Surfschuhe reichen eher nicht.
Wir haben aber auch viele gesehen, die in Sneakers gelaufen sind.
Ich denke, wichtig ist vor allem eine stabile, feste Sohle.
Viel Spass bei der weiteren Planung!
LG Inga