Tag 9:
Am heutigen Tag wartet schon das nächste „hidden gem“ darauf von uns erkundet zu werden:
Die Wanderung via Boulder Mail Trail zum Death Hollow, und diesem folgend bis zum Escalante River. Eine Zweitages-Unternehmung mit Übernachtung im Canyon.
Die Tour erfordert zwar einiges an körperlichen Mühen, dafür wird man mit einer dicken Portion Einsamkeit, grandioser Landschaft und einem der wohl schönsten Canyons des Colorado Plateaus belohnt - wenig Menschenkontakt garantiert!
entlang des Boulder Mail Trails:
im Death Hollow Canyon:
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kurzer historischer background:
Das kleine beschauliche Boulder war einst der letzte verbliebene Ort der USA (in den lower48) der noch nicht an das Staßennetz angeschlossen war. Bis 1933 war er lediglich zu Fuß erreichbar. Die einzige Verbindung zur Außenwelt für die isolierte Mormonen-Gemeinde war damals der Boulder Mail Trail, der den Ort mit Escalante verband. Alles – von Post über Medizin bis hin zu Vorräten und Alltagswaren – musste auf Pferde- oder Maultierrücken quer durch das unwegsame Gelände transportiert werden.
Erst mit dem Bau der Hell’s Backbone Road wurde Boulder 1933 an die Zivilisation angebunden. Heute verläuft zwischen Boulder und Escalante ja der landschaftlich spektakulärste Abschnitt des Scenic Byway 12, via Hogback und den Calf Creek Canyon.
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Das heutige BnB-Frühstück war wieder einmal sehr sehr reichhaltig und lecker. Uns werden die fischgelegten Eier der hauseigenen Hühner in allen Variationen aufgetischt, dazu French Toast mit cream und Erdbeeren. Uff - eigentlich müssten wir erstmal ein kleines Verdauungspause machen, aber wir müssen jetzt echt los !
Zelt, Schlafsäcke, Campingkocher und vor allem genug Futtermittel für hungrige Wanderer wird in die Rucksäcke gestopft,
Ob wir die Wanderung tatsächlich in zwei Tagen schaffen, da bin mir aber nicht ganz sicher, da der direkte Ausstieg aus dem Escalante Canyon über die "sneak route" etwas "tricky" werden könnte ...
aber das verrate ich Nici am besten noch nicht …
Da es ein trough-hike ist benötigen wir einen shuttle zum Ausgangspunkt. Wir fahren also am Morgen zum vereinbarten Treffpunkt auf dem „Big Flat Plateau“ in der Nähe von Escalante. Die Piste führt durch relativ wildes Gelände, mit tiefen washes und einigen steilen Geländetufen. Ein robustes Allradfahrzeug ist gefragt.
Mit dem Shuttlefahrer hatte ich zuvor die Koordinaten abgeglichen um uns nicht zu verfehlen. Unser Erkennungszeichen: White Wrangler with a jolly roger flag.
Er bringt uns mit seinem alten Ford Bronco nach Boulder zum trailhead des historischen Boulder Mail Trails (ca. 30 km).
Es ist bereits kurz nach 10:00 als wir losmarschieren, schon jetzt brennt die Sonne vom Himmel.
Die Landschaft erinnert ein wenig an die Gegend um den Zion bzw. an die White Domes in den Kanaan Mountains: Weiße Hauben mit leicht gelblichen Farbschattierungen erheben sich zwischen den piniengesäumten Tälern. Der Pfad verläuft in einem stetigem Auf und Ab, mehrere kleine Canyon müssen gequert werden, und wir kämpfen uns beladen mit schweren Rucksäcken die zahlreichen Gegenanstiege nach oben. Hier stehen nur wenige schattenspendende Bäume, nicht mal ein winziger Windhauch ist zu spüren, die Hitze der Sonne wird von den Felsen reflektiert und lässt unsere Schweißdrüsen auf Volldampf laufen.
Unter anderem queren wir auch den Calf Creek, hier noch ein kleiner lustig vor-sich-hinplätschernder Bach, der einige Meilen später aber dann die spektakulären Calf Creek Falls bildet.
stellenweise verläuft der Trail entlang des alten Telefondrahtes der die beiden Orte verband
Nach ca. dreistündigem Marsch (10km) stehen wir dann endlich vor den steilen Abhang hinunter zum Death Hollow Valley.
Kommando Halt - hier ist erstmal Brotzeitpause angesagt. Die Beine über dem Abgrund baumelnd gibt es eine Portion leckerer selbstgebackener Zimtschnecken, die uns unsere Vermieterin heute Früh noch mitgegeben hat. ... ein Traum !
Auf den ersten Blick sieht es so aus als würde kein Weg hinunter führen, nach einigem Suchen entdecken wir dann aber Steinmännchen die Einem den Weg auf einem gewundenen Pfad über ziemlich steile Slickrockhänge hinunter in das Tal führen. Hier musste sich damals der Postmann auf seinem Weg von Escalante nach Boulder mit seinen schwerbeladenen Packeseln auch immer hinaufquälen, und wahrscheinlich hat er dann auch immer an der selben Stelle wie wir eine kleine Verschnaufpause eingelegt.
Unten angekommen kommen wir uns vor wie in einer anderen Welt - es ist angenehm kühl, der Death Hollow creek plätschert friedlich durch das enge Tal mit seiner üppiger Vegetation. Ein Idyll wie aus dem Bilderbuch. Hier könnte man hervoragend Zelteln, aber wir wollen heute noch ein klein wenig weitergehen.
Wir wandern im Schatten der cottenwood trees durch den lieblichen Canyon, müssen den Wasserlauf an etlichen Stellen queren. Anfangs ist noch ein Pfad erkennbar, später verliert er sich und es geht weglos weiter. Wir haben längst von Wanderschuhe auf Neoprensocken und die wading boots gewechselt.
Nach ca. einer Stunde treffen wir dann auf ein noch malerischeres Plätzchen wie zuvor, mit kleinem Sandstrand und einer persönlichen Badebucht mit türkisblauen Wasser. Traumhaft - selten haben wir an ein schöneren Platz übernachtet.
Wir reissen uns die verschwitzten Kleider vom Leib und springen nackig in das erfrischendes Nass und geniessen das … uh-oh sh… ist das kalt!
Aber es hilft nichts, Zähne zusammenbeißen, untertauchen und abwaschen.
Herrlich, danach fühlt man sich glatt wie neu geboren!
Tag 10:
Nach einer angenehmen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück schlüpfen wir wieder in unsere wading boots und machen uns auf ins heutige Abenteuer.
Unser Übernachtungsplatz liegt direkt neben der Stelle an der der Boulder Mail Trail den Death Hollow wieder verlässt und (nach steilem Aufstieg) dann weiter nach Escalante führt.
Wir aber folgen nicht dem Trail, sondern bleiben hier unten im wunderschönen Canyon und folgen dem Flußlauf weglos immer weiter stromabwärts. Weite Strecken im Wasser gehend, meist nur knöcheltief, aber an manchen Stellen auch hüfttief, arbeiten wir uns voran. Das Ufer ist gesäumt mit üppigem Grün, man kann sich kaum sattsehen, gerade jetzt im Herbst wenn die Pappeln in knallgelb leuchten und sich das Laub der Büsche grün, feuerrot und quietschebunt verfärbt.
Menschen begegnen wir keinem einzigen, haben all das für uns ganz alleine.
Bei wolkenlosen Himmel kommen wir an etlichen märchenhaften Ecken vorbei. Man trifft auf dichte Wälder aus Kiefern und Tannen, wild wuchernde Farnwälder und eine Vielzahl von Wildblumen, die den Boden des Canyons bedecken. Immer wieder geht es über sonnengeflutete Lichtungen, über Baumstämme balancierend oder durchs Unterholz kämpfend.
Apropos Unterholz: Hier unten wimmelt es nur so von Poison Ivy, einem Gewächs welches sehr starke allergische Hautrektionen hervorrufen kann. Anfänglich sind wir noch ganz vorsichtig, aber zum Glück scheinen wir irgendwie immun zu sein, und so pflügen wir, je länger wir wandern, ohne Rücksicht auf Verluste durch die Vegetation.
Stellenweise verengt sich der Canyon zu einer engen Schlucht.
An einer Stelle ist besondere Vorsicht ist geboten, die Strömung ist tückisch und die Ufer-Felsen moosbewachsen und glitschig. Das Wasser gut 2m tief.
Wir meistern diese Stelle am schmalen Ufersreifen auf allen Vieren kriechend, die Rucksäcke vor uns herschiebend.
Mit mehr Glück als Geschick bleiben wir aber erstaunlicherweise fast komplett trocken ...
Insgesamt sind es nochmals um die 10 km die wir so im Death Hollow Canyon zurücklegen. Besonders schnell kommen wir nicht voran, aber Biegung um Biegung nähern wir uns dem Zusammenfluss mit dem Escalante River, den wir schliesslich nach etwa fünf Stunden erreichen.
Das Tal weitet sich und wir treffen nun auf den Trail der entlang des Escalente Rivers führt. Von unserem Standort wären es ziemlich genau 12 Meilen nach Osten zur Hwy12-Brücke bzw. ebenfalls 12 Meilen nach Westen bis in den Ort Escalante. Ansonsten gibt es keine Möglichkeit den Escalante Canyon zu verlassen. Zu steil sind die steilaufragenden Felswände.
... Moment, habe ich gesagt keine andere Möglichkeit? - Nein, es existiert noch eine sogenannte „sneak route“, eine steile unmarkierte Ausstiegsroute die es einem ermöglicht das Valley auf kurzem Wege zu verlassen und sich so einen weiteren Tagesmarsch erspart. Das Problem ist nur: Wo befindet sich diese?
Die Informationen hierzu sind äußerst rar gesät, stundenlang habe ich im Internet recherchiert, Forenbeiträgen der Canyoning-Community durchforstet, mit google earth Fotos verglichen, bin mir aber trotzdem nicht ganz sicher, aber ich denke (hoffe) wir werden den Weg schon irgendwie finden….
Der Blick auf die Uhr verrät, wir haben noch etwas über zwei Stunden Tageslicht, das könnte ziemlich knapp werden …
Nach einer weiteren Stunde Marsch, an dem von mir auf der Karte grob eingezeichnetem Punkt, folgen wir unscheinbaren Pfadspuren welche das Tal in Richtung Klippen verlassen. Etwa auf der Hälfte verliert sich der Pfad und man muss einige steilere Passagen über Felshänge hinaufklettern (class III scramble),
Blick von oben, auf etwa der Hälfte des Aufstiegs,
Der bisherige Tag war kräftezehrend, steil ist es, der schwere Rucksack drückt auf die Schultern, Nici flucht schon ein wenig und ich hoffe dass wir auch richtig sind …
Dann erreichen wir die Schlüsselstelle: Eine kleine Kraxelei entlang eines Felsrisses. Sieht aber schwieriger aus als es ist.
hier, in etwa der roten Linie folgend, verlief unser Aufstieg
Zum krönenden Abschluss geht es noch einen steilen gully über grobes Geröll und Felsbrocken nach oben. Geschafft !
Geschafft ??? - Nein, noch lange nicht
es geht nochmals eine Meile weglos durch die Prärie, ein weiteres Tal muss durchquert und auf der anderen Seite über Felshänge erklommen werden.
Beim Aufstieg fängt es dann schon an zu dämmern, das Auto erreichen wir kurz bevor wir unsere Taschenlampen hätten herauskramen müssen.
Mein lieber Scholli, das war ein echtes Abenteuer, fucking anstrengend - aber wir würden es jederzeit wieder tun! 😊
Fazit:
Uns wurde nicht zu viel versprochen: Die Tour gehört tatsächlich zu den schönsten Wanderungen auf dem Colorado-Plateau, und ist noch ein echter Geheimtipp!
"avoid-the-crowds"-Faktor: hier vergeben wir heute eine 10 von 10. Getroffen haben wir am ersten Tag auf dem Boulder Mail Trail genau einen einzigen crazy backpacker, am zweiten Tag im Death Hollow keine Menschenseele, erst im Escalante Canyon dann ein paar andere Hiker die gerade ihr camp errichteten.
Der inoffizielle Ausstieg über die „sneak route“ war natürlich auch noch mal das Sahnehäubchen auf dem Kuchen !
Würden wir es genauso wieder tun?
Ja, schon, aber eine weitere Nacht im Canyon wäre evtl. eine Option (wunderbare Zeltplätze kurz vor der confluence!).
Und auch ohne die sneak route wäre die Wanderung entlang des Escalante Rivers, vor allem in den leuchtenden Herbstfarben, mit Sicherheit eine sagenhaftes Erlebnis!
stay tuned, folks ...