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Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock

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Bolly_Bollo
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Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock
Eckdaten zum Reiseabschnitt
Reisedatum: 
Freitag, 29. Oktober 2021
Gefahrene Meilen: 
0 Meilen
Fazit: 
... zwei unvergleichliche Aussichten auf den Lake Powell


Heute soll es an einem Ort gehen, der uns auf unserer letzten Reise schon zutiefst beeindruckt hatte: Der Reflection Canyon.
Eines der absoluten Highlights ganz oben auf unserer must-do-Liste, das die wir auf jeden Fall nochmals besuchen wollten.

Von unserem Lager zum inoffiziellen Trailhead ist es nicht weit. Lediglich 8 Meilen.
Kurz nach den Sooner Rocks verlassen wir BLM Land, die Straße wir schlagartig schlechter, bei langsamer Fahrt und trockenem Wetter mit einem High Clearance Fahrzeug jedoch ohne Probleme machbar.

Beim letzten mal wussten wir noch nichts von den vorhandenen Pfaden und wir sind damals einfach der Nase nach querfeldein losgelaufen.
Das war zwar landschaftlich interessanter (man kommt an goblin-artigen Felsstrukturen vorbei), aber deutlich zeitaufwändiger und kräftezehrender, da etliche kleine Täler durchquert und Hügelketten umgangen werden mussten. Diesmal wählen wir den Weg, der auf der höhergelegenen Ebene immer parallel den Ausläufern der Fiftymile Ridge verläuft.
Mit gebuckelten Rucksäcken, inklusive Wasser- und Lebensmittelvorräten für die nächsten beiden Tage, marschieren wir los.
Hier oben existieren verschiedene undeutliche Pfade die sich auf der mit sagebrush bestandenen sandigen Ebene entlangschlängeln.
 


Der markante Fifty Mile Point. Von dort oben sieht man bestimmt schon den Lake Powell. Luftlinie dürften es von hier noch knappe 10 km sein.


Am Horizont liegt unser Ziel. Anstatt sie zu durchqueren umgehen wir diesmal die weglose Hügellandschaft

Nach zweieinhalbstündiger eintöniger Wanderung biegt der Pfad von der sandigen Ebene in ein felsiges Tal ab, welches uns hinunter in die Hügellandschaft führt. Ab und zu stehen Steinmännchen, die jedoch keine große Hilfe darstellen. Die grobe Richtung kennen wir ja und folgen so lieber unserem inneren Instinkt. Geradeaus kann man hier eh nicht laufen, es ist eher ein ständiges Umrunden, Durchqueren und Überschreiten von Felsen, Schluchten, Tälern, Quertälern und Pässen.
 

Blick zurück, ganz im Hintergrund: der Fifty Mile Point

Wir finden unterwegs sogar ein paar gefüllte potholes, aus denen wir uns Trinkwasser hätten filtern können.


GPS haben wir nur für den Notfall dabei. Wir versuchen die Verwendung von technischen Gerätschaften so gut wie möglich zu vermeiden, und nicht wie auf einer Spielkonsole oder auf google maps einer vorgegebenen Route zu folgen, mit ständigem Blick auf den Bildschirm, sondern die Natur und die Landschaft mit allen Sinnen zu erleben. Schließlich sind wir ja Mensch und keine Maschine.

Wir überschreiten einen letzten Pass und dann blicken wir endlich auf den Reflection Canyon mit seinen markanten Konturen und den kleinen Fels-Inselchen.
Ein herrlicher Anblick: Der wassergefüllte geschwungene Canyon der sich in den letzten Jahrtausenden in den Sandstein gegraben und die steil aufragenden Kuppen in s-förmigen Windungen umkurvt, verziert durch die feinen Querstreifen in den okker-orange-farbenen Wänden. Ein Anblick wie aus einem Fantasy-Film entsprungen.
 

Was für ein Anblick! - der Aufwand hat sich mehr als gelohnt!


Wenige Minuten später erreichen wir "unseren" Platz vom letzten mal, eine Sandfläche mit niedrigem Bewuchs die wie eine Kleine Oase hier in dieser Felswüste wirkt.
Das Zelt stellen wir nur knapp vor dem Abgrund auf, fast senkrecht fallen hier die Felsen ab bis hinunter zum Wasser.
Eine Kangaroo rat hat unter einem der Büsche ihren Bau und flitzt geschäftig durch die Gegend. Hat sie Angst vor uns oder spekuliert sie auf fette Beute?

Zufrieden setzen wir uns auf einen Felsabsatz vorne am Abgrund und lassen unsere Augen immer wieder über das Panorama schweifen.
Friedlich liegt der Seitenarm des Lake Powell unter uns, ab und zu steckt ein Fisch seinen Kopf aus dem Wasser und schnappt nach Luft. Ein paar Wasservögel zanken sich unten im Canyon. Ansonsten herrscht Stille.
Wir sitzen in der warmen Sonne und lassen für die nächsten Stunden die Seele baumeln.
 

 

Nur wenige Meter vom Abgrund entfernt campiert es sich am besten.


Bekanntlich hat ja der Lake Powell im Gegensatz zu den vergangenen Jahren deutlich an Wasser verloren.
Die Felskuppen stehen nun weiter aus dem Wasser heraus, und zwischen den zwei mittleren Gipfeln hat sich eine Landbrücke gebildet.

Hier nochmal zum direkten Vergleich ein Bild von Oktober 2018:

und heute, 2021:


Nichtsdestotrotz ist es immer noch ein einmaliger Anblick, wohl einer der spektakulärsten Aussichtspunkte auf den Lake Powell.
Nachdem die gesamte Gegend erkundet und alle umliegenden Felsen erklettert sind, machen wir uns an die Zubereitung des Abendessens.
 

Gibt es einen besseren Platz für ein leckeres Süppchen?

 

Bewaffnet mit einer Tüte NicNacs klettern wir nach Sonnenuntergang auf unseren Lieblings-Aussichtsfelsen und leisten den Sternen noch ein wenig Gesellschaft, die sich unten im Wasser spiegeln. Es ist stockduster geworden, nur im Schein unserer Stirnlampen tasten wir uns dann später zurück zum Zelt.
Ein falscher Schritt, und es gibt nasse Socken  wink

 

Morgenstimmung über dem Reflection Canyon


Am nächsten morgen ist es zunächst ein wenig bewölkt, Regen ist aber nicht angesagt, die Wolken sollten sich im Verlauf des Tages verziehen.
Hetzen müssen wir nicht, im Prinzip steht heute außer dem Rückweg noch nichts anderes auf dem Programm.
Wir frühstücken also in Ruhe, packen unsere sieben Sachen und verabschieden uns. Wir sind uns aber absolut sicher dies wird nicht das letzte mal gewesen sein, dass wir hier übernachtet haben.

 

 

ein wehmütiger Blick zurück


dieser kleine blaue Piepmatz beschwert sich lauthals über die Störenfriede


Auf halben Weg stellen wir unsere Rucksäcke ab. Hier ganz in der Nähe muss ein Einstieg in die Llewlyn Gulch existieren, einem kleinen hübschen Slot-Canyon der sich mehrere Kilometer bis zum Lake Powell hinzieht. An den Canyonwänden sollen auch einige hübsche Petroglyphen zu entdecken sein. Die Fotos die im Internet zu finden waren wirkten eigentlich sehr vielversprechend.
Vor drei Jahren mussten wir unseren Versuch in die Gulch hinabzusteigen leider abbrechen, da sie damals mit Wasser gefüllt gewesen war.
- Also auf ein Neues. Wir durchqueren weglos ein Felsplateau und steigen über eine steile Geröll-Rinne in die Gulch hinab.


Die Wände der Llewlyn Gulch


 

noch siehts gar nicht so schlimm aus ...


Die schattige Schlucht spendet angenehme Kühle - und sorgt eben auch für wenig Verdunstung. Nach der ersten Biegung ist der Boden mit fast knietiefem schmierigem Schlamm bedeckt. Unter den Schuhsohlen bilden sich dicke Klumpen die das Gehen sehr beschwerlich machen. Die Wände sind glatt und wie mit flüssiger Seife überzogen. Ich versuche ein Stück entlang des Slots vorzudringen, nach 30 Meter muss ich aber aufgeben, zu tief ist der Matsch, zu rutschig der Untergrund, mehrere Dryfalls versperren den Weg, und dahinter warten tiefe Pfützen. Früher oder später würde ich bis zum Hals verdreckt irgendwo steckenbleiben.
Also wieder "gescheitert". Schade - aber es sollte nun mal nicht sein, wir kehren unverrichteter Dinge um. Ein missglücktes Abenteuer ist auch ein schönes Erlebnis!


Schluchten-Akrobatik: Die Schlammpfützen erfordern waghalsige Turnereien entlang der schmierigen Canyonwände.

     


Die Wolken sind inzwischen verschwunden, die Sonne brennt auf unsere Schädel. Zurück am Auto löschen wir erst einmal unseren Durst mit literweise Lemonade. Es ist früher Nachmittag, wat nu?
Wenn wir schon mal hier sind, denken wir uns, dann wollen wir nun auch bis ans hinterste Ende der Hitrr, also bis ans "Hole in the Rock", und uns dort mal umschauen. Ab hier wird die "Straße" nochmal ein wenig holpriger, 4wd recommended, ein paar Felsstufen sind zu überwinden. Die Landschaft hier ist grandios.
Nach fünf Meilen parken wir unseren Jeep kurz vor dem "Hole".

"Hole in the Rock" ist ein enger Felsspalt durch den die Mormonen damals einen Zugang hinunter zum Colorado River fanden, und somit die Passage für ihren Weiterweg nach Bluff (vor seiner Aufstauung floss hier der Colorado, und es gab noch keinen Lake Powell).

 


Wir laufen vor an den Spalt und blicken hinunter auf den See. Wir stehen etwa 600 Höhenmeter überhalb des Wasserspiegels. Wow!
Eine steile felsige Rinne führt hinab, in der sich Geröll und Felsbrocken stapeln.
Hier also haben anno 1880 die Mormonen ihre Planwagen herabgelassen, und fast 1000 Stück Vieh hinuntergetrieben -
und das ohne größere Verluste und Verletzte ?!?   absoluter Wahnsinn, unvorstellbar!

Hole in the Rock

gerade breit genug, dass ein chuck wagen hindurchpasst:


Ein historischer Ort   -                                                                                 auf diesem Bild wird die Steilheit der Rinne glaube ich ganz gut ersichtlich:

  

Selbst zu Fuß ist es nicht ganz einfach hinunterzusteigen, der Abstieg führt teils durch enge Spalten und ab und zu müssen wir auch unter einem der riesigen Felsblöcke hindurch kriechen. Weiter unten wurden für eine Querung Stufen in den blanken Fels geschlagen.
Wie in aller Welt kann man hier Kühe und Wägen hinunterbringen?
 

über ein wildes Durcheinander von Felsbrocken bahnt man sich den Weg nach unten ...

Mit vollem Karacho voraus! - Ja, das waren schon echt wilde Hunde, die Mormonen!

einige enge Stellen erfordern das kräftige Einziehen der Wohlstands-Bäuche

 

Unterwegs ergeben sich wunderbare Ausblicke hinüber auf die Wilson Mesa und den Cottenwood Canyon.
Links ums Eck, dem Colorado folgend, würde man irgendwann nach Halls Crossing/Bullfrog gelangen.
 


Nach guten 40 Minuten ist der Abstieg bewältigt, wir stehen am Ufer des Lake Powell. Ein malerisches Plätzchen.
Auf der anderen Seite des Sees sieht man zwischen den Felsen das "Hole" des gegenüberliegenden Aufstieg.
 


Spät am Nachmittag liegt die Bucht bereits im Schatten, was uns jedoch nicht von einem gewagten Sprung in die Fluten abhält.
Wir schwimmen ein paar Runden und waschen uns den Schweiß vom verschwitzten Körper. Schön erfrischend - das tut wirklich gut!
 


Der steile Aufstieg kostet nochmals ein wenig Kraft, macht aber natürlich auch eine Menge Spaß.
Wir hatten eigentlich nur ein unspektakuläres Loch im Fels erwartet - dass sich dieses aber dann als eine derart tolle kleine Adventure-Wanderung entpuppt, hatten wir wirklich nicht gedacht.
Dafür gibt es auf der WoMo-Skala ganze fünf Feuer - auch wenn dies kein Campground ist  wink
 

     


Hier nochmal ein Luftbild aus Google earth:

  


Oben angekommen ergibt der Blick auf die Uhr: Nur noch eine Stunde Tageslicht, dann wird es duster.  surprise
Also wohin? - schaun mer mal...
Wir fahren über die 4wd road zuzrück, bis kurz vor dem Reflection Canyon Trailhead eine sandige Piste in Richtung einiger Felsen abbiegt.
Wir folgen der Spur und landen an einem schönen Plätzchen unter Bäumen. Eine Feuerstelle verrät: Hier haben schon öfter Leute die Nacht verbracht.

Routiniert ist das Lager aufgeschlagen und bald schon sitzen wir mit einer Dose craft beer am knisternden Lagerfeuer.
 

Die untergehende Sonne bestrahlt die Wolkenfetzen von unten,

und die Buttes der Umgebung werden in schönstes Abendrot getaucht  -  Wild West feeling wie aus einem Katalog.


Ein weiterer gelungener Tag,
2/3 des Urlaubs sind nun schon um, so kann es von uns aus weitergehen.
Mal sehen, was die nächsten Tage noch so auf Lager haben ...

 

 

Familie Roesner
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Beigetreten: 17.11.2019 - 11:47
Beiträge: 308
RE: Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock

Wow. Wieder mal ein richtig toller Tag :)..

Das mit dem Schlamm ist schade. Aber ihr wollt ja nochmal kommen. Dann war es bestimmt nicht der letzte Versuch wink​​​​​​

Der Pfad von den Mormonen ist ja der Wahnsinn. Das kann man sich wirklich nicht vorstellen. Wahrscheinlich haben ihre Wagen in Kleinteile zerlegt und unten wieder zusammen gebaut laugh​​​​​​. Oder sie waren einfach lebensmüde. Dennoch faszinierend.

 

LG,.

Christina 

Cla
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Beigetreten: 24.06.2019 - 14:55
Beiträge: 489
RE: Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock

Wow, wieder so tolle Orte, die Ihr gesehen habt.

Und eure Kondition ist schier unendlich, immer noch eine Wanderung (oder besser ein Klettern) zusätzlich. Respekt.

Und die Infos finde ich auch immer sehr interessant. Vielleicht haben sich ja einige Gerölllawinen durch den engen Pfad gewälzt, nachdem die Mormonen durch waren??

Liebe Grüße

Claudia

Bolly_Bollo
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Beigetreten: 04.04.2018 - 09:55
Beiträge: 201
RE: Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock

Hallo,

ja, in den letzten 140 Jahren hat sich sicherlich so einiges verändert und so mancher Felsbrocken ist in die Rinne gefallen.
Die Mormonen haben damals hier wochenlang gearbeitet, und mit Sprengstoff und Spitzhacken die Rinne verbreitert und geebnet, und wohl auch an manchen Stellen mit Holzplanken ausgekleidet.
In Escalante gibt es auch ein kleines Freilichtmuseum, das sich mit der Geschichte des "Hole in the Rock" und der Mormonen (oder wie sie sich selbst bezeichnen: "The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints) beschäftigt. Die Dartellungen in meinem Bericht stammen von dortigen Schautafeln.

LG,
Christian

Bernhard
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Beigetreten: 21.08.2009 - 15:31
Beiträge: 15844
RE: Tag 28 - 29: Reflection Canyon & Hole in the Rock

Hallo Christian, ,

das war ja an diesen beiden Tagen ein Feuerwerk der Ziele -- danke !  Der Reflection Canyon ist ja wirklich auch bei Niedrigwasser ein umwerfender Ort, besonders wenn man dort morgens erwacht.

Dass ihr sogar den Abstieg über die "Straße" durch das Hole in the Rock zum Baden im (gestauten) Colorado River genutzt habt, ist ein weiteres Sahnehäubchen

Und da ich die 3 Zielpunkte nicht aus dem Stegreif in den Zusammenhang bringen konnte, musste mir Google helfen (bei der größeren Ansicht sind alle 3 Ziele sichtbar):

Und anschließend  stellte sich mir die Frage: warum wollten denn die Mormonen da von West nach Ost ? (entschuldigt meine Wissenslücke !) . Und schon war ich bei der näheren Beschäftigung dieser historischen Willens und Ingenieurleistung auf dem Weg vom Salt Lake Valley nach dem San Juan Valley um Bluff: Straßenbau durch den wildesten Teil des Südwestens mittels Schwarzpulver und ausgesetzen Wegen über Slickrock ("Uncle Ben´s Dugway") .

Am 26.01.1880 wurden 83 Wagons sowie die Familien und zuletzt das Vieh  über diese "Straße" hinunter zum Colorado River gebracht, laut der Aufzeichnung ohne Schaden an Mensch und Ausrüstung. Eine andere Gruppe hatte in der Zwischenzeit eine Fähre aus Stämmen aus den Escalante Mountains gebaut. Das Vieh wurde auf eigenen Füßen über den z.T. eisführenden Colorado River gebracht. Am 06.06.1880 erreichten sie Bluff nach weiteren 150 Meilen über unwegsames Land (75 Meilen "as the crow flies")

Diese Strecke wurde für ca 3 Jahre genutzt.

https://www.deseret.com/1991/1/28/18902942/hole-in-the-rock-an-engineeri...

https://suponline.org/the-incredible-saga-of-hole-in-the-rock/

Wer Zeit und Muße hat, kann sich dazu noch diesen Film (mit Nachfahren der Pioneers)  ansehen.

Vielen Dank für den Anstoß zur Reise in die Vergangenheit unseres Lieblings-Zielgebietes.

Grüße

Bernhard

Scout Womo-Abenteuer.de


Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen (G.C. Lichtenberg)