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Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

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Bolly_Bollo
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Beigetreten: 04.04.2018 - 09:55
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Tag 34: Durch die Buckskin Gulch
Eckdaten zum Reiseabschnitt
Reisedatum: 
Donnerstag, 4. November 2021
Gefahrene Meilen: 
0 Meilen
Fazit: 
... die Mutter aller Slot Canyons - 😊


4 Tage durch die atemberaubenden Schluchten der Buckskin Gulch und des Paria Canyons  
 

  



Die Buckskin Gulch gilt mit einer Gesamtlänge von 24 Kilometern als der längste Slot Canyon der Welt. Mit Steilwänden, die rechts und links bis zu 150 Meter in die Höhe ragen, ist sie zugleich auch eine der tiefsten Schluchten des Südwestens - und eine der wohl spektakulärsten Canyon-Wanderungen auf dem Colorado Plateau !!!  Sie verspricht von Anfang bis zum Ende Abenteuer pur!
Eine weitere - nicht minder attraktive - Wanderung besteht darin vom Whitehouse Trailhead ausgehend dem Paria Canyon bis zu dessen Zusammentreffen mit der Buckskin Gulch zu folgen.
-
Die komplette Durchquerung der Buckskin Gulch und des anschließenden Paria Canyons bis nach Lees Ferry umfasst sogar ganze 74 km. Hierfür benötigt man mind. 3-4 Tagesmärsche - je nach herrschenden Verhältnissen und körperliche Konstitution. Etwa ab der Hälfte der Strecke weitet sich der Canyon und der Slot wird zu einer etwas breiteren Schlucht. Die letzte Tagesetappe soll allerdings nicht mehr ganz so spektakulär sein, heißt es.
Ein Problem stellt zudem die Organisation eines Shuttles dar, der einen vom Endpunkt (Lees Ferry) die 120 km wieder zurück zum Startpunkt (Paria) bringt. Sicherlich ein auch nicht ganz billiges Unterfangen.  $$$ sad


Der Canyon in seinen vollen 74 km Länge:


Unser Plan ist es vier Tage in den beiden Schluchten zu verbringen. Am ersten Tag durch die Buckskin Gulch bis zur Confluence (dem Zusammenfluss von Buckskin und Paria Canyon ), und dann am zweiten Tag dem Paria Canyon weiter durch dessen eindrucksvollen Engstellen zu folgen. Am nächsten Tag wollen wir dann, ohne Gepäck, so weit vorzudringen wie möglich, bis die spektakulären Stellen enden und sich der Canyon weitet, dort Kehrt machen und unser Lager wieder etwas flussaufwärts verlegen. Und am vierten und letzten Tag zurück zur Confluence und durch den Oberlauf des Paria Canyons zum Whitehouse Trailhead.
So können wir sowohl die spektakulärsten Abschnitte der Canyons erkunden, als auch beide sehenswerte Zugänge durchwandern.
Unsere geplante Route ist mit 79 km sogar noch ein Stückchen länger als es die gesamte one-way Durchquerung wäre.


unsere Route: rot Tag1 - grün Tag2 - gelb Tag3 - lila Tag4

Aber halt - noch haben wirs ja nicht geschafft,
fangen wir einfach von vorne an:


Tag1: durch die Buckskin Gulch

Da im gesamten Verlauf der Buckskin Gulch keine flash-flood-sicheren camping Möglichkeiten existieren, ist es dringend angeraten diese an einem Tage komplett bis zu deren Ende zu durchwandern um dort zu campieren.
Für die gesamte Strecke von 24 km ist mit rund 8 Stunden Gehzeit zu rechnen. Jetzt, Anfang November, hat es hier in Utah allerdings nur noch etwas mehr als 10 Stunden Tageslicht, und daher sind wir auch heute wieder früh auf den Beinen.

Pünktlich um 08:00 stehen wir vor der Paria Contact Station um unsere Permits abzuholen. Es ist nur 20 Personen pro Tag gestattet in die Buckskin Gulch / den Paria Canyon einzuwandern und dort zu übernachten. Schon vor Monaten hatten wir per online-application für die nächsten Tage die entsprechenden overnight permits "erbeutet". Der diensthabende Ranger ist sehr nett und druckt uns alle benötigten Unterlagen aus. Er warnt und noch obligatorisch vor den tiefen "cess pools" und den Kletterpassagen. Flash floods sind allerdings nicht zu erwarten - der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage Sonne pur.
Viel Zeit für smalltalk haben wir allerdings nicht, denn es wartet bereits Steve Dodson von den Paria Outpost&Outfitters vor der Tür um uns zum Wire Pass Trailhead zu kutschieren. Unseren Jeep werden wir am Whitehouse zwischenparken.

In aller Seelenruhe tuckert Steve mit seinem klapprigen Dodge die House Rock Road entlang. Für dieselbe Strecke haben wir gestern höchstens die Hälfte der Zeit benötigt. Dafür unterhält uns Steve mit allerlei Anekdoten und den neuesten Entwicklungen der Lokalpolitik.
Es ist bereits 09:30 als wir aus dem Wagen klettern. In gut neun Stunden wird es schon anfangen zu dämmern - und es liegen ja noch ein unwegsamer langer enger Slotcanyon vor uns, sowie zahlreiche Boulder die überklettert und etliche tiefe pools die durchwatet werden müssen.
Zum Abschied wünscht uns Steve noch ein "great adventure" und mahnt uns noch zur Eile - es sei ja doch schon ziemlich spät heute...

Für die erste Meile folgen wir dem sandigen Flussbett des Coyote Wash. Mit jeder Biegung wird dieser schmaler, die Wände rücken enger zusammen und verengen sich alsbald zu einem engen dunklen Spalt im Fels.
Das Wasser hat hier in den letzten Jahrtausenden ganze Arbeit geleistet und wunderschön fließende Formationen erschaffen die sich nun für die nächsten 50 Kilometer durch die Felsen schlängeln.

Schon nach kurzer Zeit erreichen wir das erste Hindernis. Ein chokestone hat sich im Canyon verklemmt, dahinter befindet sich ein etwa drei Meter hohen Absatz den es abzuklettern gilt. Aber "null problemo" - ein hier befestigter kurzer Strick und ein alter Treibholz-Stamm erleichtern den Abstieg.
Die normalerweise hier stehende Leiter hat wohl die letzte flah flood hinweg gespült. Tatsächlich entdecken wir diese einige Meilen canyonabwärts in etwa zehn Meter Höhe hängend eingekeilt zwischen den Canyonwänden.
 

   obstacle #1                                                                           die ehemalige "Leiter" in luftiger Höhe
          

Auf ihrer gesamten Länge ist die Tour durch die Buckskin Gulch und den Paria Canyon unglaublich abwechslungsreich: Neben mehreren Meilen ungemein beeindruckenden Engstellen lauern hinter jedem Eck verschiedensten Formationen in ständig wechselndem Erscheinungsbild. Die Formen und Farben erinnern dabei fast an die des Antelope Canyons - vielleicht nicht ganz so lieblich - manchmal etwas dunkler und teilweise sogar fast bedrohlich - aber ausgesprochen faszinierend!


Schmale Passagen von gerade einmal Schulterbreite wechseln hinter der nächsten Biegung zu überhängenden höhlenartigen Wänden. Dabei nimmt die Tiefe im Verlauf von anfangs ca. 10m auf über 150m zu. Teilweise kann man den Himmel über sich nicht mehr sehen. Immer wieder verengt sich die Schlucht bis auf wenige Meter und verschluckt mit ihren feuerroten Sandstein-Wänden fast das komplette Tageslicht, um dann wieder den Blick auf eine Freifläche mit riesigen Alkoven oder heruntergestürzten Felsen freizugeben.
Dabei trocknet die Buchskin Gulch nur selten vollkommen aus, hier sind so gut wie immer tiefe pools vorzufinden die nicht umgangen werden können und im schlimmsten Falle durchschwommen werden müssen.


Bauch einziehen, Luft anhalten - jetzt wirds eng !
   

Immer wieder hat sich Treibholz oben zwischen den Wänden verkeilt und erinnert an die letzte Flutwelle.

Der Canyonboden wechselt zwischen feinsandig zu grobsteinig bis hin zu lehmig-glitschig.

vor mehr als 12millionen Jahren erlernte der Mensch den aufrechten Gang - es scheint, einige wenige brauchen etwas länger ...  wink


Haaaalt, Moment mal ... hier wird lediglich der heilige Boden of the most fabulous Buckskin Gulch geküsst !
Vielleicht sollt ich mich ab und an auch einmal zu Wort melden um nicht ganz sooo schlecht weg zu kommen. Eure Bolly ;)

 

"Draußen" herrscht den ganzen Tag bestes Wetter - zumindest soweit wir dies durch den schmalen Spalt über unseren Köpfen beurteilen können.
Hier unten ist es hingegen recht kühl, wir sind langärmlig unterwegs, die Mütze meist auf dem Kopf.

Dann treffen wir auf den ersten wassergefüllten pool. Wir schlüpfen in unsere Neoprensocken und die wading boots. Er ist zwar nur knietief, doch bekommen wir einen ersten Vorgeschmack was uns am heutigen Tage erwarten wird. Das Wasser ist matschig-braun und eisig kalt. Am Boden des pools hat sich ein schlammiger Untergrund gebildet in dem man knöcheltief einsinkt und der einem das Vorankommen erschwert.
Dies sollte jedoch nicht unser einziger pool für heute sein, alle halbe Meile versperrt uns der nächste den Weg, und sie werden von mal zu mal tiefer und länger. Nach dem zwanzigsten haben wir aufgehört zu zählen.
Irgendwann reicht das Wasser bis über die Oberschenkel und wir entledigen uns nun auch unserer Hosen und wandern nur in Unterhosen um die Kleidung trocken zu halten.


noch ist es nur eine Pfütze ...

dann ein tiefes Loch ...

... und schließlich ein tiefer mit Wasser gefüllter Graben dessen Ende man nicht mehr sehen kann !

Andere Berichte erzählen von bis zum Hals reichenden "cess pools" (Jauchegruben) mit brackig stinkendem Wasser, in denen sogar vereinzelt Tierkadaver schwimmen. Hier müssen wir euch aber leider enttäuschen, so schlimm ist es bei uns nicht. Der tiefste pool hatte "nur" etwa Bauchnabel-Tiefe, und war auf Zehenspitzen, die Rucksäcken über dem Kopf haltend gerade so zu durchqueren ohne komplett nass zu werden.
Länger hätte er jedoch auf keinem Fall sein dürfen, ansonsten wären uns wahrscheinlich das eine oder andere Körperteil abgefroren.  wink


... von wegen Bauchnabel, anderen Teilnehmern, nämlich mir, ging es bis unter die Achseln! buahhh.
Oder etwa eben so viel wie 12cm Größenunterschied ausmachen ... !    angry


Für die nächsten zehn Kilometer wechseln sich trockene Abschnitte mit feuchten, rutschig-lehmigen ab.
Immer wieder folgen enge tunnelartige Passagen, dann wieder offene Bereiche in denen sich der Canyon weitet und vereinzelt sogar das Sonnenlicht bis zum Canyonboden vordringen lässt.
 

die Wände werden höher und höher ...


Nach sechs Stunden erreichen wir die sogenannte "boulder jam", einen Abschnitt auf dem der gesamte Canyonboden mit minivan-großen Felsbrocken bedeckt ist, die um- über- oder unter-klettert werden müssen. Zwischen den Boulders liegen Unmengen an Treibholz und versperren das Weiterkommen. Die Zwischenräume werden von tiefen Morastpfützen ausgefüllt. Im Zickzack den Hindernissen ausweichend bahnen wir uns unseren Weg.
 


An Ende der boulder jam erwartet uns schließlich "the rock fall", eine Stelle die auf der Karte mit dem Zusatz "technical climbing skills may be required" versehen ist:
Ein fünf Meter hoher senkrechter Felsabsatz, im unteren Bereich leicht überhängend. Zur Abstiegshilfe wurden einige Moqui Steps in den Fels geschlagen.
Ups - das sieht ja tatsächlich heftiger aus als erwartet !   surprise
 

    

Auch hier hängt ein altes Seil an dem wir uns in die Tiefe hangeln können.
Eins-zwei-drei, ein großer Sprung - und schon sind wir unten. Tarzan wäre blass vor Neid!

                             


Wir sind nun schon über sieben Stunden unterwegs, der Rucksack lastet schwer auf den Schultern, der Magen knurrt, und die nassen Füße werden langsam kalt.
Zum Glück ist es nun nicht mehr weit, nur noch eine weitere Meile bis zu unserem heutigen Tagesziel, dem Ende der Buckskin Gulch.

Kurze Zeit später öffnet sich der Canyon und wir treten auf eine lichtdurchflutete, mit üppiger Vegetation bedeckte Freifläche. Ringsherum ragen die rotbraunen Felswände weit in den Himmel. Auf beiden Seiten erheben sich sandige Hügel die erhöhte Zeltplätze bieten, ganz in der Nähe tritt eine Quelle mit frischem Wasser aus dem Boden
- was für ein idyllisches Plätzchen !

Ein sagenhafter spot für eine Übernachtung! Ganz oben auf dem Hügel, inmitten der herbstlich leuchtenden Espen, errichten wir unser Lager.
Und das beste ist: Nobody else out here - wir sind ganz alleine im Canyon!
 


am Fuße der riesigen Wände wirkt unser Zelt so winzig klein

Wir entledigen uns der nassen Schuhe und schlüpfen in trockene warme Kleidung. Als Belohnung für unser Tagwerk gibt es heute Chilli con carne bis der Ranzen spannt. Mit der warmen Mahlzeit im Bauch wird uns auch gleich wieder mollig warm. Wir strecken die müden Beine aus und machen es uns bei einer Tasse Kakao und Brownies gemütlich.


Es ist schon lange Dunkel, wir wollen gerade in die Schlafsäcke schlüpfen, da meinen wir Stimmen zu hören, und tatsächlich sehen wir kurze Zeit später auch die Strahlen von Taschenlampen durch den Talgrund huschen.
Es ist eine Gruppe junger Burschen. Sie waren spät gestartet und sind nur langsam vorangekommen. Schließlich haben sie sich im Dunkeln durch die Gulch gekämpft, und sind nun mehr als heilfroh es doch geschafft zu haben - das Abenteuer ihres Lebens!
Wie es sich herausstellt sind es Mormonen aus der Nähe von Salt Lake City. Sie sind schlecht ausgerüstet, haben weder Zelt noch Kocher. Wir spendieren ihnen heißen Tee und Schokoriegel.

So sitzen wir noch eine ganze Weile zusammen und erzählen uns gegenseitig von unseren outdoor-Erlebnissen, und wir geben ihnen noch ausreichend Tipps für ihre nächsten Abenteuer.
Als wir uns letztendlich ins Bett verabschieden sind wir für sie "the coolest guys we ever met".   cheeky

 

... und morgen gehts dann weiter in den Paria Canyon !


 

Raven
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Beigetreten: 13.02.2016 - 17:39
Beiträge: 248
RE: Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

Einfach Toll, dass Ihr uns das miterleben lässt. Ich bin sprachlos!!!!

„Stop Putin, Stop War“

Kochi
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Beigetreten: 21.08.2009 - 11:52
Beiträge: 7108
RE: Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

…einfach nur: WOW 🤩👍👍

Munter bleiben
Gruss
Kochi
Scout WoMo-Abenteuer.de

 

 

 

Bernhard
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Online
Beigetreten: 21.08.2009 - 15:31
Beiträge: 15859
RE: Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

Hi Christian,

meinen Respekt, welche Strapazen ihr auf euch nehmt , um uns diesen Slot Canyon zu zeigen .  Und das ist ja erst der erste Teil  ....

Dass du bei all dem Klettern und Durchwaten der Pools trotz der Zeitnot auch noch die Kamera auf die schönsten Stellen halten kannst, ist schon bemerkenswert !

Bis zum nächsten Tag.

Bernhard

Scout Womo-Abenteuer.de


Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen (G.C. Lichtenberg)

eagle eye
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Beigetreten: 05.02.2013 - 15:06
Beiträge: 3401
RE: Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

Hi Christian,

sensationell! 

Ich hatte ja auf eine Mehrtagestour spekuliert, aber eher mit Shuttle und Start ab Lees Ferry.

Nach dem Bericht mit vielen beeindruckenden Bildern freue ich mich noch mehr auf den Hike. Bange Blicke gehen schon jetzt zu meiner Wetter App....

Vielen Dank für den Bericht an "the coolest guys"!

Liebe Grüße, Mike

 

Experience!

Scout Womo-Abenteuer.de

Annett
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Beigetreten: 18.03.2019 - 22:47
Beiträge: 385
RE: Tag 34: Durch die Buckskin Gulch

Einfach bemerkenswert! Toll!

Vielen, vielen  Dank!